Ein Instrument trauert
Toots Thielemans ist tot, der Meister der Mundharmonika
Augsburg Für die Hosentasche, unspektakulär, vergleichsweise einfach zu erlernen: die Mundharmonika, das Musikinstrument des kleinen Mannes. Wohl gibt es komplette Konzerte mit Symphonieorchester für dieses Aerophon, doch die Mehrheit der Musikliebenden kennt das im 19. Jahrhundert entwickelte Instrument wohl in der Hauptsache durch das Lied vom Tod. Nur die Maultrommel hat noch weniger Glanz und Renommee.
Aber im Blues der Südstaaten Amerikas kann die Mundharmonika ganz groß herauskommen – als Ausdruck der Klage, als Ausdruck des Schmerzes. Zwar ist es – musikhistorisch gesehen – vom Blues zum Jazz kein großer Schritt, doch bei diesem Schritt entglitt die Mundharmonika der Hosentasche.
Immerhin wurde das Verluststück gefunden – von Toots Thielemans, der freilich hernach behauptete: „Die Mundharmonika hat mich ausgesucht und nicht umgekehrt.“Doch wie auch immer: Nun begann die Bluesharp ein neues Leben, ein wenig bluesig noch, aber vor allem jazzig. Toots Thielemans, der 1922 geborene Belgier, der erst Akkordeon gelernt hatte und dann Gitarre – er stand unangefochten an der Spitze der Mundharmonikaspieler im Jazz. Aufgetreten ist er ab 1950 mit dessen Hochadel: Goodman, Parker, Gillespie, Evans, Fitzgerald, Quincy Jones, Wonder, Joel, Metheny.
Das Wort vom Hochadel aber wurde mit Bedacht gewählt: Aufgrund seiner künstlerischen Verdienste stieg Toots Thielemans auch in den Hochadel auf: 2001 verlieh ihm der belgische König den Titel „Baron“. Da hatte Thielemans fast schon populären Rang: durch sein Mundharmonika-Solo im Abspann der US-Serie „Sesame Street“.
Nun aber ist Toots Thielemans tot. Er starb gestern – wie man gerne sagt – im gesegneten Alter von 94 Jahren in seiner Heimat Brüssel, gut zwei Jahre, nachdem er wegen schwächelnder Gesundheit Abschied von der Bühne genommen hatte. Es trauern seine Freunde, es trauert der Jazz, es trauert die Mundharmonika.