Ein Hauch von europäischer Baukunst
Max Dudler hat den Wettbewerb für die Erweiterung der Staats- und Stadtbibliothek gewonnen. Er ist nicht der erste Architekt von internationalem Rang, der in Augsburg ein Zeichen setzt
Max Dudler entwirft den Erweiterungsbau der Staats- und Stadtbibliothek – darüber freuen sich Architektur-Interessierte in Augsburg. Denn der Schweizer genießt internationalen Ruf, spätestens seit er das Hambacher Schloss, jene Ikone deutscher Demokratiegeschichte, mit sparsamen Interventionen sanierte und besuchertauglich machte. Dudler ist freilich nicht der erste Architekt von Rang, der sich in Augsburg verewigte; der Hauch der großen europäischen Baukunst streifte die Lechstadt mehr als einmal.
Daran zu erinnern, muss zwangsläufig an Elias Holls Rathaus ansetzen, einem der bedeutendsten Profanbauten der Renaissance nördlich der Alpen. Die fürstbischöfliche Residenz und Schüles Kattunfabrik vor dem Roten Tor kommen als zwei Beispiele des 18. Jahrhunderts ins Spiel, schließlich die Fabrikpaläste und Gründerzeitvillen des 19. Jahrhunderts. Baumeister wie Ignaz Paul, Leonhard Christian Mayr, Jean Keller oder Philipp J. Manz nahmen über die Jahrhunderte Maß an Vorbildern aus ganz Europa.
Doch die Erinnerung an architektonische Größe soll sich hier auf das 20. Jahrhundert beschränken und das Engagement jener Architekten, die von außerhalb in die Stadt geholt wurden – wohl wissend, das auch Augsburger Büros die Trends internationaler Architekturentwicklung der Epoche aufnahmen. So kann Thomas Wechs mit seinen Wohngebäuden Schubert- und Lessinghof für den Rationalismus der 1920er Jahre und Max Speidel mit seiner Kongresshalle für den Brutalismus der 1960er Jahre stehen.
Einen Ableger des berühmten Bauhauses im fernen Weimar-Dessau bildete in Bayern die Postbauschule des Robert Vorhoelzer, zu der auch Heinrich Götzger und der Augsburger Nachkriegs-Stadtbaurat Walther Schmidt gehörten. Deren ebenso funktional wie elegant konzipierte Postbauten der 1920er Jahre sind das Fernamt an der Langenmantelstraße, das Telegrafenamt plus Kraftwagenhalle an der Stadtjägerstraße. Auch mit Hermann Giesler hat sich in Augsburg ein zu seiner Zeit bekannter Architekt betätigt, der heute freilich höchst zweifelhaften Ruf genießt. Giesler war sehr erfolgreich in der Nazizeit; er sollte für Hitler München als „Hauptstadt der Bewegung“neu gestalten und entwarf – in gewünschter Monumentalität – die Reichsbahndirektion am Augsburger Prinzregentenplatz, heute das Landratsamt.
Olaf Andreas Gulbransson, der Sohn des berühmten Zeichners, der für den Simplicissimus gearbeitet hatte, kam 1959 nach Augsburg, um die Sankt-Thomas-Kirche zu planen. Sie stellt unter den zahlreichen evangelischen Kirchen Gulbranssons ein exemplarisches Gebäude mit einem offenen, geometrisch geprägten Zentralraum dar. Zehn Jahre später entwarf Justus Dahinden aus Zürich die Königsbrunner Kirche Zur göttlichen Vorsehung in der wuchtigen Sprache des Beton. Kurz darauf wurde Dahinden mit dem Münchner „Schwabylon“weithin bekannt.
Nach Bauhaus-Moderne und Beton-Brutalismus meldete sich auch in Augsburg ab den 1980er Jahren die Postmoderne zu Wort. Einer ihrer wichtigsten süddeutschen Vertreter, der Münchner Alexander von Branca, ist in der Stadt mehrfach vertreten: mit dem Priesterseminar an der Haunstetterstraße in kleinteiliger Formensprache, mit einem weißen burgartigen Bankhaus an der Schießgrabenstraße und – noch im Stil der Seventies – mit dem Haus St. Ulrich.
Ab den 1970er Jahren wurde der Universitäts-Campus gebaut, und auch dafür holte man über Wettbewerbe bekannte Architekten aus der ganzen Republik: Der Wiener Gottauf fried Hansjakob konzipierte den ganzen schönen Grünbereich, und im Hochbau spannt sich der Reigen von dem Münchner Büro Krug (Wirtschaftswissenschaften) bis zu den Leipziger Architekten Knoche (Zentrum für Kunst und Musik) und dem Berliner Volker Staab, der das Informatik-Gebäude als breit hingelagerte Bauplastik entwarf. Zurzeit ist Staab, der mit seinen Bauten (unter vielen anderen Neues Museum Nürnberg, Servicezentren auf der Münchner Theresienwiese oder am Herkules in Kassel) immer wieder durch Einfallsreichtum und Sensibilität beeindruckt, mit dem Haus der evangelischen Kirche am Ulrichsplatz betraut.
Auch für Wohnen und Arbeiten bauten eigenwillige Architekten: Ivano Gianola aus Mendrisio, ein Vertreter der berühmten Tessiner Bauschule, entwarf das Haus Schmidt in Gessertshausen; Florian Nagler aus München, ein Poet des Holzbaus, eine Lagerhalle in Bobingen. Noch so eine Ausnahmeerscheinung unter den Architekten der Gegenwart ist John Pawson. Den Engländer hat die Kirchengemeinde von St. Moritz mit der Neugestaltung ihres Gotteshauses betraut, und sein strahlend weißer, gleichsam ins Licht schwebender Kirchenraum sorgt bei Besuchern nach wie vor für Staunen. Immerhin lässt Pawsons radikale Purifikation noch Spuren des Wiederaufbaus der Moritzkirche durch Dominikus Böhm im Jahr 1951 erahnen. Der Kirchenbaumeister Böhm, geboren im schwäbischen Jettingen, tätig in Köln – auch er war einer der großen Architekten, die für Augsburg bauten …
Mehr Informationen zum Thema liefern folgende Bücher: Ulrich Heiß (Hg.): Architektur in Augsburg 1900 2000, Verlag Klaus und Stoll, 112 Seiten (nur noch antiquarisch), Wilfried Nerdinger (Hg.): Bauten erinnern, Dietrich Reimer Verlag, 255 S., 39 Euro