Aichach hat einen neuen Bauzulieferer
In Ecknach werden bei Deckerform Dachrinnen und Sickerkästen entwickelt und die Spritzgussformen gebaut. Die Produktion findet in Russland statt. Das Angebot von AltaDirekt gibt’s nur im Internet
Aichach Das Geschäftsmodell von Deckerform war über zwei Jahrzehnte auf einen klar definierten Teil des Wirtschaftskreislaufes eingegrenzt: Das mittelständische Unternehmen fertigt im Gewerbepark in Aichach-Ecknach Werkzeugformen für die Kunststoffindustrie. Im Spritzgussverfahren werden damit Teile, beispielsweise für Autos, Bürostühle oder Staubsauger hergestellt. Seit Kurzem deckt Deckerform in Verbindung mit der neu gegründeten Gesellschaft AltaDirekt das komplette Wirtschaftsspektrum ab. Schritt eins: In Aichach werden Bau-Produkte entwickelt und die dazu nötigen Spritzgussformen hergestellt. Schritt zwei: In Moskau werden die Produkte von einem Kooperationspartner gefertigt. Weiter geht’s mit der Vermarktung: Die läuft über einen Online-Shop. Letzter Schritt: Die Auslieferung über ein Zentrallager in Aichach.
Entwicklung bis Vermarktung von Industrieprodukten in einer Hand – das ist eigentlich ein Modell für große Unternehmen und Konzerne. Bei Deckerform arbeiten aber nur rund 70 Mitarbeiter. Interessant sind dabei auch die Produkte selbst – vor allem für Aichach. Das neue Unternehmen versteht sich als virtueller Baumarkt für überwiegend aus Kunststoff gefertigte Produkte wie Dachrinnensysteme, Entwässerungsrinnen, Sickerkästen oder Rasengitter.
Das ist ein Segment, das seit Jahrzehnten hier eine Heimat hat. Aichach ist ja Stammsitz des führenden Bauzulieferers Mea. Der hat auch solche Produkte im Angebot und natürlich noch viel mehr, vom bekannten Lichtschacht bis zum Gitterrost. Vor 130 Jahren wurde das Traditionsunternehmen in Aichach gegründet. Mea war über Jahrzehnte hinweg größter industrieller Arbeitgeber der Stadt. Mitte der 90erJahre waren bei Mea Meisinger insgesamt 1400 Mitarbeiter beschäftigt, davon rund 1000 in der Stadt. Vor Ort ist jetzt noch die Verwaltung. Die Produktion mit insgesamt 700 Mitarbeitern ist im Ausland. Insgesamt hat Mea sieben Standorte in Europa und einen in China und setzt nach eigenen Angaben 120 Millionen Euro im Jahr um.
Davon ist AltaDirekt natürlich weit entfernt. Im nächsten Jahr hat sich das neue Unternehmen aber „das ehrgeizige Umsatzziel von mehr als eine Million Euro gesetzt“, so Geschäftsführerin Rosemarie Tschacha. Sie hat gemeinsam mit ihrem Mann Franz die Gesellschaft mit Sitz in Aichach gegründet. Die neue Firma ist international ausgerichtet. Das Unternehmen startete sein Internetportal zunächst in deutscher Sprache, im September wird es auf diesen Seiten auch alternativ die Sprachen Englisch und Russisch geben.
Durch die Schwäche des Rubels und den günstigen Wechselkurs sei der Produktionsstandort Russland in den vergangenen zwei Jahren sehr konkurrenzfähig geworden, erklärt Franz Tschacha. Er ist seit Jahren auf dem russischen Markt aktiv und sei durch Zufall mit seinen Formen mit einem Bauzulieferer in Moskau ins Geschäft gekommen. Daraus sei die aktuelle Kooperation entstanden. Die Bau-Produktpalette, in Teilen in Konkurrenz zu Mea, sei also keineswegs eine Strategie, sondern eine Entwicklung. Seit Jahren sei bei Deckerform Know-how nicht nur für den Formenbau selbst, sondern für leichte, materialsparende und effektiv zu fertigende Kunststoffteile aufgebaut worden, sagt Tschacha. Das zahle sich jetzt aus.
Er spricht von einer Marktlücke. Industrielle Produzenten hätten oft keine Spezialisten für Kunststoff. Sie lassen sich die Teile nur zuliefern. Und die Zulieferer könnten die Teile zwar spritzen, kümmerten sich aber nicht um die Entwicklung. Mit der Kombination der Firmen Deckerform und AltaDirekt sieht Tschacha jetzt sozusagen eine Lösung aus einem Guss. Alle angebotenen Bauartikel erfüllten mit differenzierter Materialauswahl die Anforderungen auf Temperatur- und UV-Beständigkeit, Tragkraft und Schlagfestigkeit.
Durch die Entwicklung der Eigenprodukte in der im vergangenen Jahr eröffneten Ideenschmiede Deckerform Technologies sei eine gleichbleibende hohe Produktqualität sichergestellt. Es sei geplant, die Angebotspalette kontinuierlich mit neuen Waren zu erweitern, heißt es in einer Mitteilung.
Tschacha setzt in Russland nicht nur auf die eigenen Formen, sondern auf deutsche Werkzeugtechnik und Qualitätsstandards: „Unsere Produkte fertigen wir ausschließlich auf deutschen Maschinen.“Und der Vertrieb erfolge ausschließlich über das Internet. Kosten für Verkaufsräume würden so eingespart. Dies und die schlanke Unternehmensstruktur ermöglichten günstige Preise.
Wer übers Internet verkaufe, müsse die Kunden zunächst bei den Kosten überzeugen, so Tschacha: „Die Käufer können die Rinne ja nicht in die Hand nehmen“. Wenn sich das Produkt dann auf dem Markt verbreitet habe, könne es durch seine Qualität punkten.