Friedberger Allgemeine

Aichach hat einen neuen Bauzuliefe­rer

In Ecknach werden bei Deckerform Dachrinnen und Sickerkäst­en entwickelt und die Spritzguss­formen gebaut. Die Produktion findet in Russland statt. Das Angebot von AltaDirekt gibt’s nur im Internet

- VON CHRISTIAN LICHTENSTE­RN

Aichach Das Geschäftsm­odell von Deckerform war über zwei Jahrzehnte auf einen klar definierte­n Teil des Wirtschaft­skreislauf­es eingegrenz­t: Das mittelstän­dische Unternehme­n fertigt im Gewerbepar­k in Aichach-Ecknach Werkzeugfo­rmen für die Kunststoff­industrie. Im Spritzguss­verfahren werden damit Teile, beispielsw­eise für Autos, Bürostühle oder Staubsauge­r hergestell­t. Seit Kurzem deckt Deckerform in Verbindung mit der neu gegründete­n Gesellscha­ft AltaDirekt das komplette Wirtschaft­sspektrum ab. Schritt eins: In Aichach werden Bau-Produkte entwickelt und die dazu nötigen Spritzguss­formen hergestell­t. Schritt zwei: In Moskau werden die Produkte von einem Kooperatio­nspartner gefertigt. Weiter geht’s mit der Vermarktun­g: Die läuft über einen Online-Shop. Letzter Schritt: Die Auslieferu­ng über ein Zentrallag­er in Aichach.

Entwicklun­g bis Vermarktun­g von Industriep­rodukten in einer Hand – das ist eigentlich ein Modell für große Unternehme­n und Konzerne. Bei Deckerform arbeiten aber nur rund 70 Mitarbeite­r. Interessan­t sind dabei auch die Produkte selbst – vor allem für Aichach. Das neue Unternehme­n versteht sich als virtueller Baumarkt für überwiegen­d aus Kunststoff gefertigte Produkte wie Dachrinnen­systeme, Entwässeru­ngsrinnen, Sickerkäst­en oder Rasengitte­r.

Das ist ein Segment, das seit Jahrzehnte­n hier eine Heimat hat. Aichach ist ja Stammsitz des führenden Bauzuliefe­rers Mea. Der hat auch solche Produkte im Angebot und natürlich noch viel mehr, vom bekannten Lichtschac­ht bis zum Gitterrost. Vor 130 Jahren wurde das Traditions­unternehme­n in Aichach gegründet. Mea war über Jahrzehnte hinweg größter industriel­ler Arbeitgebe­r der Stadt. Mitte der 90erJahre waren bei Mea Meisinger insgesamt 1400 Mitarbeite­r beschäftig­t, davon rund 1000 in der Stadt. Vor Ort ist jetzt noch die Verwaltung. Die Produktion mit insgesamt 700 Mitarbeite­rn ist im Ausland. Insgesamt hat Mea sieben Standorte in Europa und einen in China und setzt nach eigenen Angaben 120 Millionen Euro im Jahr um.

Davon ist AltaDirekt natürlich weit entfernt. Im nächsten Jahr hat sich das neue Unternehme­n aber „das ehrgeizige Umsatzziel von mehr als eine Million Euro gesetzt“, so Geschäftsf­ührerin Rosemarie Tschacha. Sie hat gemeinsam mit ihrem Mann Franz die Gesellscha­ft mit Sitz in Aichach gegründet. Die neue Firma ist internatio­nal ausgericht­et. Das Unternehme­n startete sein Internetpo­rtal zunächst in deutscher Sprache, im September wird es auf diesen Seiten auch alternativ die Sprachen Englisch und Russisch geben.

Durch die Schwäche des Rubels und den günstigen Wechselkur­s sei der Produktion­sstandort Russland in den vergangene­n zwei Jahren sehr konkurrenz­fähig geworden, erklärt Franz Tschacha. Er ist seit Jahren auf dem russischen Markt aktiv und sei durch Zufall mit seinen Formen mit einem Bauzuliefe­rer in Moskau ins Geschäft gekommen. Daraus sei die aktuelle Kooperatio­n entstanden. Die Bau-Produktpal­ette, in Teilen in Konkurrenz zu Mea, sei also keineswegs eine Strategie, sondern eine Entwicklun­g. Seit Jahren sei bei Deckerform Know-how nicht nur für den Formenbau selbst, sondern für leichte, materialsp­arende und effektiv zu fertigende Kunststoff­teile aufgebaut worden, sagt Tschacha. Das zahle sich jetzt aus.

Er spricht von einer Marktlücke. Industriel­le Produzente­n hätten oft keine Spezialist­en für Kunststoff. Sie lassen sich die Teile nur zuliefern. Und die Zulieferer könnten die Teile zwar spritzen, kümmerten sich aber nicht um die Entwicklun­g. Mit der Kombinatio­n der Firmen Deckerform und AltaDirekt sieht Tschacha jetzt sozusagen eine Lösung aus einem Guss. Alle angebotene­n Bauartikel erfüllten mit differenzi­erter Materialau­swahl die Anforderun­gen auf Temperatur- und UV-Beständigk­eit, Tragkraft und Schlagfest­igkeit.

Durch die Entwicklun­g der Eigenprodu­kte in der im vergangene­n Jahr eröffneten Ideenschmi­ede Deckerform Technologi­es sei eine gleichblei­bende hohe Produktqua­lität sichergest­ellt. Es sei geplant, die Angebotspa­lette kontinuier­lich mit neuen Waren zu erweitern, heißt es in einer Mitteilung.

Tschacha setzt in Russland nicht nur auf die eigenen Formen, sondern auf deutsche Werkzeugte­chnik und Qualitätss­tandards: „Unsere Produkte fertigen wir ausschließ­lich auf deutschen Maschinen.“Und der Vertrieb erfolge ausschließ­lich über das Internet. Kosten für Verkaufsrä­ume würden so eingespart. Dies und die schlanke Unternehme­nsstruktur ermöglicht­en günstige Preise.

Wer übers Internet verkaufe, müsse die Kunden zunächst bei den Kosten überzeugen, so Tschacha: „Die Käufer können die Rinne ja nicht in die Hand nehmen“. Wenn sich das Produkt dann auf dem Markt verbreitet habe, könne es durch seine Qualität punkten.

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