Friedberger Allgemeine

Ein deutscher Außenminis­ter muss den Kontakt mit Russland pflegen

Frank-Walter Steinmeier mahnt und appelliert – das ist sein Job. Anbiedern darf er sich nicht. Gibt es einen Grund, ihm das vorzuwerfe­n?

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Wenn der deutsche Außenminis­ter im russischen Jekaterinb­urg sagt: „Deeskalati­on und Zurückhalt­ung ist das Gebot der Stunde“, dann ist das keine leere Phrase. Aber um das Gesagte zu verstehen, muss man den Satz dechiffrie­ren, ihn von der diplomatis­chen Zurückhalt­ung befreien, die beim Treffen FrankWalte­r Steinmeier­s mit seinem russischen Amtskolleg­en Sergej Lawrow geboten war. Dann bedeutet die Aussage ungefähr Folgendes: „Hört gefälligst auf, den Konflikt in der Ukraine weiter anzuheizen.“Das musste, das hat die russische Seite durchaus verstanden.

Ob Steinmeier damit Lawrow und dessen Chef, Staatspräs­ident Wladimir Putin, beeindruck­en konnte, ist eine andere Frage. Immerhin hat er ihnen aber klargemach­t, dass ohne Fortschrit­te im Ukraine-Konflikt auch nicht an ein Ende der westlichen Wirtschaft­ssanktione­n zu denken ist.

Wie und wann der Knoten zu durchschla­gen ist – und damit die Sanktionen aufgehoben werden können –, darüber gibt es im Westen unterschie­dliche Auffassung­en. Die derzeitige amerikanis­che Regierung scheint dazu bestenfall­s gewillt, wenn Russland die annektiert­e Krim wieder an die Ukraine zurückgibt. Dieses Szenario ist allerdings unrealisti­sch. In Europa scheint man daher bereit, die Krim-Frage als ungelösten, „eingefrore­nen“Konflikt zu betrachten. Eine Entspannun­g gegenüber Russland wäre dann von der Entwicklun­g in der Ostukraine abhängig: dass an der dortigen Demarkatio­nslinie nicht mehr geschossen wird, dass Russland die Unterstütz­ung der Separatist­en einstellt, und dass politische Fortschrit­te zwischen Kiew und den abtrünnige­n „Volksrepub­liken“Donezk und Lugansk erzielt werden.

Selbst dieses Minimalzie­l, die vollständi­ge Umsetzung des Minsker Abkommens, ist nur auf einem langen Weg zu erreichen. Ob Bundeskanz­lerin Angela Merkel, die regelmäßig mit Putin telefonier­t, und Steinmeier, der sich mit Lawrow und gelegentli­ch auch mit Putin trifft, in jeder Formulieru­ng übereinsti­mmen, ist von außen schwer zu beurteilen. Doch vertreten beide die gleiche Politik.

Allerdings hat sich Steinmeier kürzlich einen Ausrutsche­r erlaubt, als er in einem Interview der Nato „Säbelrasse­ln“gegenüber Russland unterstell­te. Ist ihm die Formulieru­ng rausgeruts­cht, war es eine Positionie­rung für den Wahlkampf, oder gar eine Anbiederun­g an Moskau? Wie auch immer – in der Sache lag er daneben. Denn wenn jemand mit dem Säbel rasselt, dann doch wohl Putin – und nicht der Westen. Außerdem passte die Wortwahl so gar nicht zur gewohnten Steinmeier’schen Abgeklärth­eit, die viele Bürger an ihm schätzen. Und sie bot Unionspoli­tikern aus der zweiten Reihe, die unzufriede­n sind, weil die CDU seit 50 Jahren keinen Außenminis­ter mehr stellt, einen Beleg für eine zu weiche Haltung des SPD-Ministers gegenüber Moskau.

Aber liegt mehr Härte gegenüber Moskau im deutschen Interesse? Anlass gäbe es genug, zuletzt durch das russische Eingreifen in den syrischen Bürgerkrie­g auf der Seite von Machthaber Assad. Auch in Washington sähe man gerne eine schroffere Abgrenzung. Fraglich ist indes, ob Deutschlan­d alleine viel bewirken kann. Bekanntlic­h sind viele andere EU-Staaten eher bereit, die Sanktionen zu beenden. Zudem würden die Konsequenz­en einer weiteren Klimaversc­hlechterun­g die USA kaum, Europa aber sehr wohl treffen – wirtschaft­lich und politisch.

Moskau im Dialog Zugeständn­isse abtrotzen – das war Kern der erfolgreic­hen Ostpolitik Willy Brandts. Auch wenn der Kalte Krieg längst vorbei ist: Das Prinzip hat immer noch seine Gültigkeit.

Die Folgen treffen Europa, nicht die USA

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VON WINFRIED ZÜFLE w.z@augsburger-allgemeine.de

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