Der bittere Abschied des Wolfgang Bosbach
Der Politiker macht 2017 Schluss. Er tritt nicht ohne Gram ab. Aber er geht, wie man ihn kennt: mit einem guten Spruch
Berlin Politiker wie Wolfgang Bosbach sind selten geworden in Deutschland. Man kann ihn nachts um zwei Uhr wecken und eigentlich zu jedem Thema eine Frage stellen. Er gibt eine Antwort darauf. Seit 44 Jahren ist der Mann in der CDU, seit 22 Jahren im Bundestag. Der 64-Jährige ist omnipräsent. Und er ist unbequem. Oder besser: Er war es. Denn jetzt hat Bosbach angekündigt, sich zum Ende der Wahlperiode im Herbst 2017 aus der Politik zurückzuziehen. Der schlagfertige Mann aus dem Rheinisch-Bergischen Kreis vor den Toren Kölns geht nicht ohne Bitterkeit.
Er habe in den vergangenen Monaten gemerkt, wie schnell man in die rechte Ecke gestellt wird, wenn man nur auf nüchterne Tatsachen hinweise. „Das möchte ich nicht mehr“, sagt Bosbach. Gemeint ist damit vor allem seine Kritik an der Flüchtlingspolitik von Parteichefin und Bundeskanzlerin Angela Merkel. Der konservative CDU-Innenexperte gehört zu den bekanntesten Gesichtern der deutschen Politik. Und er erklärt seine Positionen gern öffentlich. In Talkshows ist er regelmäßiger Gast. Im vergangenen Jahr hat der Mediendienst Meedia elf Auftritte bei ARD und ZDF gezählt – so viele wie bei keinem anderen Politiker. Das kommt nicht von ungefähr. Bosbach redet auch in hitzigen Diskussionen druckreif, formuliert komplizierte Sachverhalte eingängig und pointiert. Er ist nie um einen guten Spruch verlegen. Als ihn die Bild nun auf einen möglichen Austritt aus der CDU oder einen Parteiwechsel anspricht, sagt Bosbach: „Selbst mit vier Promille würde ich nicht zur AfD gehen.“Ein echter Bosbach eben.
Kein Wunder also, dass sich Moderatoren wie Frank Plasberg sofort per SMS bei ihm meldeten, als sie von seinem Rückzug aus dem politischen Geschäft erfuhren. Doch beim CDU-Establishment hat sich Bosbach in den vergangenen Jahren eher wenig Freunde gemacht. 2005 wäre er gern Innenminister geworden. Dass er es nicht wurde, galt vielen schon damals als Signal. Immer wieder hatte der Querdenker mit massiver Kritik am Kurs seiner eigenen Partei für Schlagzeilen gesorgt. Die Rettungspolitik für Griechenland verurteilte er als großen Fehler, als Konsequenz aus dem Streit mit der CDU-Spitze um die Milliardenhilfen legte der Jurist im Juli 2015 sogar den Vorsitz im Innenausschuss des Bundestages nieder. Seither ist er offiziell nur noch als einfacher Wahlkreisabgeordneter im Bundestag. Doch er bleibt gefragt. Als einer aus der alten Garde der Partei. Nicht er habe sich geändert, die CDU sei vom Kurs abgekommen, wirft Bosbach der Parteiführung vor. „In keiner einzigen Frage vertrete ich eine Meinung, die nicht auch einmal die Meinung der CDU war“, sagt er. Über mangelnde Unterstützung für seine Positionen an der Parteibasis könne er sich nicht beklagen. Vor allem die Flüchtlingspolitik von Merkel hat er zuletzt angeprangert, lautstark ein Umdenken gefordert, sich an die Seite der CSU gestellt, die zwischenzeitlich sogar eine Verfassungsklage gegen den Flüchtlingskurs der Kanzlerin erwog. In der Öffentlichkeit wird er gern als Rebell oder Abweichler tituliert; in der Unionsfraktion halten ihn viele eher für eine Nervensäge. Fakt ist aber auch: Er hat nie ein böses Wort über die Parteichefin gesagt.
Vor vier Jahren hat Bosbach, Vater von drei erwachsenen Töchtern, öffentlich gemacht, dass er an Krebs erkrankt ist und Herzprobleme hat. Im Juli stürzte er im Urlaub auf Mallorca in einen Gullyschacht und verletzte sich. Kurz darauf saß er schon wieder in einer Talkshow. Seine Rückzugsankündigung begründete er auch mit seinem Gesundheitszustand. Bosbach war es immer wichtig, ein Leben parallel zur Politik zu haben. In den 70ern war er erst Supermarktleiter, holte später das Abitur nach, studierte Jura, arbeitete als Rechtsanwalt. Er kennt die Menschen an der Basis, ist fest verwurzelt im Bergischen, liebt den Karneval. Jetzt bereitet er sich auf eine neue Etappe vor.
Seine Karriere begann in einem Supermarkt