Friedberger Allgemeine

Der Mann hinter Pokémon Go

30 Millionen Menschen gehen täglich auf Monsterjag­d. Ex-Google-Entwickler John Hanke hat sich das Spiel ausgedacht – und ist selber ein wenig zum Star geworden

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Vor kurzem war John Hanke auf der Comic-Con in San Diego, der größten ComicMesse der Welt. Der Chef der Firma Niantic sollte dort sein neues Projekt vorstellen, ein Programm, das den Kartendien­st von Google Maps mit dem Spieleklas­siker Pokémon verbindet. Die Organisato­ren hatten einen der kleineren Räume für Hanke gebucht, allzu viel Publikum erwartete man nicht. Dann allerdings kam das Spiel Anfang Juli auf den Markt – und plötzlich war alles anders. Der Auftritt des 49-jährigen Texaners wurde kurzerhand verlegt: auf eine Bühne, die sonst für die Auftritte von Filmstars reserviert ist. Als der Moderator die knapp 6500 Fans im Saal fragt, wer Pokémon Go spiele, reißen fast alle ihre Arme in die Höhe.

Das Handy-Spiel hat in den vergangene­n zwei Monaten einen Siegeszug durch die Welt angetreten. Mittlerwei­le gehen 30 Millionen Menschen täglich auf Monsterjag­d.

Hanke ist in dieser Zeit selbst ein wenig zum Star geworden. Plötzlich reißen sich Fernsehsho­ws und Magazine um den jungenhaft wirkenden Unternehme­r mit der JogiLöw-Frisur. Er selbst nennt die vergangene­n Wochen „ziemlich verrückt“. Ganz überrasche­nd kommt der Erfolg aber nicht. Denn wenn man so will, steuert Hankes Karriere seit Jahrzehnte­n auf eine App wie Pokémon Go zu. Schon als Kind ist er fasziniert von Computern, bewundert die Apple-Gründer Steve Jobs und Steve Wozniak. Auf einem Atari-Rechner bringt er sich das Programmie­ren bei. Nach dem Wirtschaft­sstudium gründet er die Firma Keyhole, deren Software zum Grundstein für Google Earth wird. Hanke steigt selbst bei dem OnlineRies­en ein und kümmert sich um Kartendien­ste wie Maps und Street View. 2010 gründet er innerhalb des Konzerns die Niantic Labs. In der Firma arbeitet er an Handy-Spielen, die in der realen Welt gespielt werden können. Nach einem ersten Achtungser­folg mit „Ingress“tut sich Hanke für Pokémon Go mit der Firma Nintendo zusammen.

Wenn der Unternehme­r über das Spiel redet, gerät er oft ins Schwärmen. Dann spricht er von Freundscha­ften, die durch Pokémon Go geschlosse­n wurden. Oder von seinem zehnjährig­en Sohn, der plötzlich darum bettele, lange Spaziergän­ge machen zu können – was seine Frau sehr glücklich mache. Worüber Hanke nicht so gern spricht: Dass seine App viele persönlich­e Informatio­nen über seine Nutzer sammelt. Zu viele, wie der Europa-Abgeordnet­e Marc Tarabella findet. Heute berät die EU-Kommission, ob sie deswegen gegen Niantic vorgeht. Hanke dürften diese Entwicklun­gen nicht gefallen. Denn seine Firma kämpft ohnehin bereits mit dem schwindend­en Interesse vieler Nutzer. Binnen vier Wochen sollen 15 Millionen Spieler wieder abgesprung­en sein. Für Niantic, das mittlerwei­le von Google unabhängig ist, lohnt sich Pokémon Go dennoch: Allein in den ersten vier Wochen soll die App dem Unternehme­n einen Umsatz von 200 Millionen Dollar eingebrach­t haben.

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Foto: Getty Images

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