Friedberger Allgemeine

Wie groß dürfen neue Ställe sein?

Umweltmini­sterin Barbara Hendricks kämpft seit geraumer Zeit gegen „Agrarfabri­ken“. Dafür will sie das Baurecht verschärfe­n. Die Bauern sind verärgert

- VON SONJA KRELL Foto: Swen Pförtner, dpa

Augsburg Eigentlich sind Tierhaltun­g und Tierwohl kein Thema, für das Barbara Hendricks zuständig ist. Denn Landwirtsc­haft, das ist in Berlin Sache von Agrarminis­ter Christian Schmidt (CSU). Doch die Umweltmini­sterin nutzt jede Gelegenhei­t, um gegen „Agrarfabri­ken“, „Intensivti­erhaltung“und „MegaStälle“vorzugehen. Vor wenigen Wochen appelliert­e die SPD-Politikeri­n, die Deutschen sollten nur noch halb so viel Fleisch essen – und so die klimaschäd­lichen Treibhausg­ase senken.

Jetzt hat Hendricks nach allen Hebeln in ihrem Zuständigk­eitsbereic­h suchen lassen, um auch Einfluss auf die Tierhaltun­g zu nehmen. Und die Ministerin, die auch für den Baubereich zuständig ist, ist fündig geworden: Sie will das Baurecht ändern. Künftig sollen Anwohner und Kommunen den Bau von großen Ställen leichter beeinfluss­en oder gar verhindern können. Nach ihren Plänen soll ein bauplanung­srechtlich­es Verfahren unter Beteiligun­g der Öffentlich­keit für große Anlagen verpflicht­end werden. „Wir müssen dringend handeln, damit das System wieder ins Lot kommt“, sagt sie.

Bislang sieht das Baugesetzb­uch für Landwirte die „Privilegie­rung“im Außenberei­ch vor. Vereinfach­t besagt diese: Ein landwirtsc­haftlicher Betrieb hat grundsätzl­ich Baurecht auf seinem Grundstück. Eine Genehmigun­g ist trotzdem nötig, das Verfahren dafür häufig langwierig: Wer einen neuen Stall bauen will, muss dafür etwa bestimmte Abstandsre­geln und Umweltvors­chriften einhalten sowie über genug Fläche verfügen, um mehr als die des Futters selbst anbauen zu können. Und: Das Bauvorhabe­n darf „öffentlich­en Belangen nicht entgegenst­ehen“.

Nach Hendricks’ Vorstellun­g soll sich das ändern. Ställe ab einer bestimmten Größe – die Rede ist von „großen Tierhaltun­gsanlagen“– dürften grundsätzl­ich nur noch zugelassen werden, „wenn die Gemeinde einen entspreche­nden Bebauungsp­lan erlässt“. In diesem Fall entscheide­t die Kommune, wo ein Landwirt seinen Stall bauen kann. Die Bürger werden am Verfahren beteiligt. Die Sorge vieler Bauern: Künftig dürften deutlich mehr Neubauten am Widerstand der Anwohner scheitern.

Beim Bayerische­n Bauernverb­and jedenfalls ist man wütend auf Hendricks. Generalsek­retär Hans Müller spricht von einem „Frontalang­riff auf die Bauern, die TierhalHäl­fte tung und die Privilegie­rung landwirtsc­haftlichen Bauens“. Schließlic­h hätten die Landwirte schon jetzt mit strengen Vorschrift­en in Sachen Umweltschu­tz und zahlreiche­n Auflagen zu kämpfen. Müller sagt: „Hendricks ist jedes Mittel recht, um gegen die Tierhaltun­g zu schießen.“

Doch was ist überhaupt ein „Riesen-Stall“? Das ist im Gesetz über die Umweltvert­räglichkei­tsprüfung geregelt: Ist ein Stall mit mehr als 15 000 Legehennen, 30 000 Masthähnch­en, 15000 Puten, 1500 Mastschwei­nen oder 600 Rindern geplant, soll nach Hendricks’ Vorstellun­g künftig ein Bebauungsp­lan verpflicht­end sein. In Bayern ist man von solchen Zahlen weit entfernt – auch, wenn der Strukturwa­ndel fortschrei­tet und die Betriebe größer werden. Nach den jüngsten Zahlen aus dem Agrarberic­ht 2014 stehen in 0,3 Prozent der Kuhställe mehr als 150 Tiere. Durchschni­ttlich hatte ein Milchviehb­etrieb in Bayern zuletzt 36 Kühe. Im Bereich der Schweinema­st haben 0,8 Prozent der Betriebe mehr als 1500 Schweine. Der durchschni­ttliche Mastbetrie­b verfügt über 601 Tiere.

Müller, der Generalsek­retär des Bauernverb­ands, sagt: „Wer mehr Tierwohl und regionale Produkte will, muss auch den Bau von neuen Ställen ermögliche­n.“Hendricks dagegen geht es um eine Agrarwende. „Vielen Menschen ist diese Art der Landwirtsc­haft gar nicht mehr recht.“Und auch viele Bauern wollten oder könnten mit der Intensivie­rung der Tierhaltun­g selbst nicht Schritt halten. Was aus dem Hendricks-Vorschlag wird, ist offen. Der Gesetzentw­urf soll demnächst in die Ressortabs­timmung gehen. Agrarminis­ter Schmidt, der für das Thema Landwirtsc­haft zuständig ist, ist wenig begeistert vom neuesten Angriff seiner Kollegin. Die beiden führen seit längerem eine Fehde in aller Öffentlich­keit. Nun hat Schmidt seinen Sprecher ausrichten lassen: „Wir sind schon der Meinung, dass wir die Entwicklun­gsperspekt­ive der Landwirtsc­haft nicht blockieren wollen.“Mehr aber sagt er nicht.

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Wie viele Kühe sollen in einem Stall stehen? Nach der Vorstellun­g von Umweltmini­sterin Barbara Hendricks müssen die Zahlen deutlich sinken. Dafür will sie nun das Baurecht ändern.

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