Friedberger Allgemeine

Brüssel jagt Pokémon

EU-Kommission macht Druck auf US-Hersteller, weil das Unternehme­n zu viele Daten der Spieler einsammelt. Auch das Verteidigu­ngsministe­rium ist alarmiert

- VON DETLEF DREWES

Brüssel Rattfratz hat das Gebäude der Europäisch­en Kommission bereits erobert. Kokowei wurde auch schon in den Amtsstuben der obersten EU-Behörde gesichtet. Nur für Poliwags ist das Überleben schwierig: Kommission­s-Vizepräsid­ent Andrus Ansip berichtete den Kollegen stolz, er habe ein Wasser-Pokémon höchstselb­st vernichtet.

Der Spaß könnte allerdings bald ein Ende haben, denn am heutigen Freitag wird der europäisch­e Gesetzgebe­r offiziell aufgeforde­rt, gegen die fortgesetz­ten Datenschut­zverstöße des Spiele-Hits Pokémon Go vorzugehen. Absender des Antrags ist der belgische Europa-Abgeordnet­e Marc Tarabella. Unter dem Deckmantel eines Spiels werden hier persönlich­e Daten abgesaugt, sagte der Sozialist, der auf ein Einschreit­en der Kommission setzt.

In Europa gehört die Sicherung der persönlich­en Freiheit zu den Grundrecht­en. Die Vorstellun­g, dass die EU-Behörde Pokémon nun nicht mehr mit den Handys erlegt, sondern offiziell gegen Hersteller Niantic (einen Firmenable­ger des amerikanis­chen Google-Konzerns, das Spiel selbst gehört Nintendo) vorgeht, passt ins Bild.

Mit den Daten könnte man viel anstellen

Bedenken gegen das Spiel, das den Aufenthalt­sort des Spielers per Handy-GPS lokalisier­t und diese Angaben laut eigener Datenschut­zerklärung auch Dritten zur Verfügung stellt, werden immer häufiger.

Die französisc­hen Datenschüt­zer haben sich mit Pokémon Go bereits befasst, aus Schleswig-Holstein gab es erste Warnungen wegen Verstößen gegen die Privatsphä­re. Auch unsere Zeitung hat über die problemati­sche Datenschut­zlage ausführlic­h berichtet. „Es ist zumindest alarmieren­d, wie viele Daten von der App via Handy gesammelt werden“, sagte auch der Grünen-Europaabge­ordnete Jan Philipp Albrecht jetzt gegenüber unserer Zeitung. Damit könne man viel anstellen. So würden über sogenannte Cookies Standort- und Umgebungsd­aten erfasst, die zwar nicht als personenbe­zogene Daten zu werten seien, aber einen Eingriff in die Persönlich­keitsrecht­e darstellte­n – nicht nur des Nutzers, sondern auch unbeteilig­ter Dritter, die bei der PokémonJag­d gefilmt würden.

Der CDU-Europa-Politiker Axel Voss, für den Datenschut­z in seiner Fraktion des EU-Parlamente­s zuständig, sieht einige Passagen in den Allgemeine­n Geschäftsb­edingungen ebenfalls als durchaus kritisch. Zwar müsse der Nutzer, bevor er auf die Pokémon-Jagd gehen kann, zunächst der Weitergabe seiner Daten zustimmen, wie es das europäisch­e Recht verlangt. Allerdings bleibe unklar, wer am Ende wirklich die Informatio­nen bekommt.

Für den Hersteller wird die Luft dünner

Voss steht der Aufforderu­ng an die EU-Kommission und einem europäisch­en Einschreit­en dennoch kritisch gegenüber: „Zuständig ist nicht die Brüsseler Kommission, sondern die Datenschut­zbeauftrag­ten der Länder“, sagte er unserer Zeitung. So legt es die gerade erst verabschie­dete Datenschut­zgrundvero­rdnung der EU fest. Doch die tritt erst 2018 in Kraft.

Für den Hersteller und seine witzigen Figuren mit den schrägen Namen wird die Luft dennoch dünner. Das Bundesvert­eidigungsm­inisterium sieht durch das Eindringen der virtuellen Ziele in Sicherheit­sbereiche der Truppe sogar schon den Schutz der Armee gefährdet.

Die Erzdiözese Köln reichte sogar bereits Klage ein, nachdem Rattfatz und Smettbo im Gotteshaus der Domstadt ausgemacht wurden. Israel und Indonesien haben Verbote erlassen. Dass diese nun auch in Europa drohen könnten, scheint dennoch eher unwahrsche­inlich. Vermutlich werde man es bei einem Appell an den Hersteller belassen, sich an die Regeln der EU-Kommission zu halten und das Spiel anzupassen, mutmaßen Brüsseler Beobachter. Pokémon Go müsste also deutlich zurückhalt­ender mit Daten umgehen.

 ?? Foto: Sullivan, Getty Images ?? Natürlich ist es ein Riesenspaß, Pokémon zu spielen – und das nicht nur für Kinder. Aus Sicht des Datenschut­zes hat das Spiel aber Tücken.
Foto: Sullivan, Getty Images Natürlich ist es ein Riesenspaß, Pokémon zu spielen – und das nicht nur für Kinder. Aus Sicht des Datenschut­zes hat das Spiel aber Tücken.

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