Früher war mehr Lametta?
Talk und Show Immer diese TV-Kritiker! Erst war ARD-Polit-Talker Jauch pfui („kann keinen PolitTalk“) und Nachfolgerin Will hui, dann umgekehrt. Zumindest schrieb der ansonsten von mir geschätzte
Tagesspiegel-Kollege Joachim Huber in seiner „Bilanz der ersten Monate von ,Anne Will‘ am Sonntagabend“: „Bei Jauch war mehr Lametta“.
Nach mehrmaligem Lesen verstehe ich den Artikel inzwischen so: Der Kollege findet „Anne Will“schon gut, aber mehr „Zirkus“wäre ihm auch recht. Den sollte er bereits am Tag nach Erscheinen seines Artikels bekommen, als sich bei Will am 5. Juni im Ersten der AfD-Politiker Gauland mit dem Journalisten Lohse von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung darüber stritt, ob Gauland nun den dunkelhäutigen Fußball-Nationalspieler Boateng zum Nachbarn haben wolle oder nicht. Da war Lametta, aber hallo! Da war sogar Tweed und Hundekrawatte!
Mit jener Ausgabe verabschiedete sich Anne Will in die Sommerpause. Bald, ab dem 11. September, geht sie wieder regulär auf Sendung. Mit mehr Lametta? Hoffentlich nicht.
Denn was die Polit-Talkshows in diesen aufgeheizten Zeiten brauchen, ist gerade weniger „Zirkus“und mehr „Faktencheck“. Mehr echter Dialog. Mehr Talk, weniger Show. In den letzten Jahren hatten Talkshow-Redaktionen ihre Freude am Zuspitzen, an der Polarisation. Sie boten den immer gleichen „meinungsstarken“Gästen eine Bühne. Jauch war keine Ausnahme.
Früher war mehr Lametta? Mag sein, lieber Joachim Huber. Aber zu viel Lametta hat noch jeden Christbaum verschandelt. Und wurde die Lametta-Produktion in Deutschland nicht eingestellt?