Friedberger Allgemeine

Wer einmal lügt...

Eine Prostituie­rte hatte ihren Zuhälter wegen Gewalttäti­gkeit angezeigt. Das Gericht hält den Mann nicht für unschuldig. Warum es den 28-Jährigen trotzdem freigespro­chen hat

- VON PETER RICHTER

Irgendwann, der Prozess war erst wenige Stunden alt, fiel jener verräteris­che Satz, der ahnen ließ, wie das Urteil ausfallen könnte. „Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht, und wenn er auch die Wahrheit spricht“, zitierte Richter Roland Christiani ein altes Sprichwort. Statt durchaus möglicher acht bis neun Jahre Haft hat gestern die Dritte Strafkamme­r am Landgerich­t den Angeklagte­n, einen jungen Rumänen, vom Vorwurf des schweren Menschenha­ndels freigespro­chen. Am Vortag war die Belastungs­zeugin, eine Prostituie­rte, sieben Stunden vom Gericht befragt worden. Danach seien alle im Gerichtssa­al verwirrt gewesen, gestand Staatsanwä­ltin Katja Frauenrath in ihrem Plädoyer. Die vielen Zuhörer im Gerichtssa­al erlebten dann den seltenen Fall, dass am Ende der Beweisaufn­ahme Anklägerin, Verteidige­r, aber auch Opferanwäl­tin Marion Zech sich einig waren, der 28-Jährige sei freizuspre­chen.

Im Prozess hatte ein Kripobeamt­er die Zeugin – wie der Angeklagte kommt sie aus Rumänien – als ausgebufft­e Kriminelle bezeichnet. So hat sie einen Freier, mit dem sie in einem Augsburger Hotel Sex hatte, heimlich dabei gefilmt. Anschließe­nd hatte sie den verheirate­ten Mann eiskalt um 10 000 Euro er- Möglicherw­eise ist er nicht der Einzige gewesen, den die zierliche 38-Jährige so unter Druck setzte. Auf ihrem Smartphone fand die Polizei ähnliche Filmsequen­zen mit anderen Männern. Doch der um 10 000 Euro erpresste Augsburger erstattete Anzeige. Im Februar ist die Rumänien wegen versuchter Erpressung verurteilt worden.

Gericht und Staatsanwä­ltin schlossen aber nicht aus, dass die Prostituie­rte tatsächlic­h Opfer schwerer Misshandlu­ngen wurde. Doch war es nicht zu beweisen. Denn die Zeugin hat sich im Prozess immer wieder in Widersprüc­he verstrickt. „In einem Ausmaß, das nicht mehr normal ist“, heißt es im Urteil. Was die 38-Jährige dem Gericht über die Misshandlu­ngen beschrieb, hörte sich teilweise ganz anders an, als sie der Polizei und dem Ermittlung­srichter erzählt hatte.

Zudem warf die Aussage eines Kripobeamt­en kein gutes Licht auf die Zeugin. Er bescheinig­te der Rumänin große schauspiel­erische Qualitäten. Bleibt die Frage, warum die 38-Jährige ihren Freund, der ihr Zuhälter war, angezeigt hat. Vielleicht aus verschmäht­er Liebe. Sie hatte den gut aussehende­n Abitupress­t. rienten nach Deutschlan­d geholt und ihm hier jahrelang ein süßes Leben finanziert. Schon 2011 hatte sie, die vorher Hausdame in einem Münchner Bordell gewesen war, angeblich nicht mehr als Prostituie­rte arbeiten wollen. Der Angeklagte habe sie jedoch mit großer Brutalität immer wieder gezwungen, weiter anschaffen zu gehen, berichtete die Zeugin. Bis Ende 2015, als sie zur Polizei ging, der 28-Jährige daraufhin verhaftet wurde.

„Wir sind weit davon entfernt, den Angeklagte­n für unschuldig zu halten“, bemerkte Richter Roland Christiani, als er das Urteil begründete. Nur fehlen für die Verurteilu­ng die Beweise.

Schauspiel­erische Fähigkeite­n

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