Gänsesäger sind in Not
Serie (Teil 8) Bei Gänsesägern sind die Mütter besonders gefordert. Manfred Lang hat mit den Entenvögeln schon viele Überraschungen erlebt, auch nach dem Pfingsthochwasser
Bei einer Kontrolle von Nistkästen passierte es: Manfred Lang stieg die Leiter hoch. Er klopfte leicht an die Wand, um die Vögel im Inneren nicht zu erschrecken. Doch dann bekam er selbst einen Schreck: Aus dem Nistkasten sprang ihm ein Marder entgegen. Von den jungen Gänsesägern, die Lang erwartet hatte, war weit und breit nichts mehr zu sehen.
Marder sind mit die größten Feinde des Gänsesägers. Sie fressen die Eier und Küken des großen Entenvogels. Auch andere Räuber warten nur darauf, den frisch geschlüpften Nachwuchs zu verschlingen. Unter Wasser lauern Raubfische wie Hechte. „Bei Gänsesägern gibt es eine sehr hohe Sterberate“, sagt der Hobby-Vogelkundler Manfred Lang.
In diesem Jahr gab es in Augsburg auch noch schlechte Bedingungen in der Brutzeit im Frühjahr. Lech und Wertach hatten häufig hohe Wasserstände. In den starken, trüben Fluten tut sich der Gänsesäger schwer, nach kleinen Fischen zu ja- gen, die er an seine Jungen verfüttern kann. Er braucht klares, kaltes Wasser, um beim Tauchen viel Beute zu machen. Ein Gänsesäger frisst täglich etwa 300 Gramm Fisch.
Gänsesäger zählen zu den stark gefährdeten Arten. In Bayern kommen sie nur an Alpenflüssen südlich der Donau vor. In Augsburg wurden sie zum ersten Mal um 1800 nachgewiesen. Seit sie in den 1970er Jahren unter Schutz gestellt wurden, haben sich die Bestände erholt. In Augsburg sei das Vorkommen aber schwankend, sagt Lang. Dabei tun die Weibchen alles, um für viele Nachkommen zu sorgen.
Früher brüteten die Gänsesäger in Augsburg vor allem an der Wertach. Normalerweise bauen sie ihre Nester in den Höhlen alter Bäume. Mit dem Pfingsthochwasser 1999 wurden viele dieser Bäume weggeschwemmt. Andere mussten aus Sicherheitsgründen an den Wertach- ufern gefällt werden. Danach waren offenbar zahlreiche Gänsesäger obdachlos. „Sie tauchten plötzlich in Taubenschlägen, alten Stadeln und sogar Schulgebäuden auf“, erinnert sich Lang.
Wenn sich die Umwelt ändert, versucht sich der Gänsesäger, anzupassen. Die Vögel brüten in Nistkästen, die vom Landesbund für Vogelschutz (LBV) in Augsburg aufgehängt wurden. Manfred Lang findet ihre Nester aber auch unter großen Brücken oder zwischen Steinen am Flussufer. Bei Kontrollen der Nistkästen stelle er fest, dass die Weibchen normalerweise zehn Eier legen. Diese Zahl klingt hoch. Doch die jungen Gänsesäger haben viele Feinde. Eine Gefahr überleben sie aber erstaunlicherweise. „Die Jungen können aus einer Baumhöhle bis zu 20 Meter tief auf den Boden springen“, sagt Lang. Schon einen oder zwei Tage nach dem Schlüpfen lassen sie sich aus ihrem Nest fallen. Sie breiten ihre kleinen Flügel wie Fallschirme aus und überschlagen sich beim Aufprall auf der Erde. Aber sie verletzen sich nicht.
Auch andere Gefahren meistern die Gänsesäger-Küken mit Bravour. Die Mütter nehmen sie auf dem Rücken zu Tauchgängen in die Tiefe mit. Noch lieber nützen die Kleinen ihre Mama als Ausflugsboot oder einfach zum Ankuscheln. Um die Aufzucht der Jungen kümmern sich die Weibchen allein. Das ist nicht immer einfach. Bei der Jagd nach Nahrung kommen sie teilweise Anglern ins Gehege, die Jungfische gekauft und in ihren Gewässern ausgesetzt haben. „Bei Fischern sind Gänsesäger nicht gerne gesehen“, sagt Lang.
Der 77-jährige Augsburger war schon immer gerne in der Natur. Seine Arbeit als Former in einer Gießerei und später als Kraftfahrer bei der Stadt ließ ihm aber kaum Zeit für ehrenamtliches Engagement. Seit Manfred Lang Rentner ist, verbringt er viel Zeit mit dem Vogelschutz. Regelmäßig hilft er bei Vogelzählungen mit. Er repariert und kontrolliert Nistkästen des LBV in der freien Natur. Der rüstige Rentner beteiligt sich auch noch regelmäßig an den Mäharbeiten in Biotopen des Vereins. Dafür hat er sogar einen Sensenkurs absolviert.
Langs Frau Sieglinde hat viel Verständnis für sein Hobby. „Wenn ich Vögel beobachte, bin ich am liebsten alleine unterwegs“, erzählt er. Dann hält er auch immer wieder nach Gänsesägern Ausschau: An der Staustufe 23 beispielsweise, am Hochablass, aber auch in der Wolfzahnau. Sogar im Teich des Botanischen Gartens hat er sie schon gesehen.
In Augsburg gibt es immer noch sehr viel Natur, mehr als in vielen anderen Großstädten. Wildtiere tummeln sich nicht nur an Lech und Wertach, sondern auch in privaten Gärten und selbst mitten im Zentrum. Was sind das für Tiere? Wo kann man sie beobachten? Und welche Menschen helfen, damit sie überleben können? In den kommenden Wochen gehen wir diesen Fragen nach und geben Insider-Tipps.
Heute (Teil 8): Manfred Lang weiß, wo der Gänsesäger in Augsburg lebt.
Als Nächstes geht es am Montag um den Rotmilan.