Das Ringen um Lehrlinge
Für Unternehmen wird es immer schwerer, passende Auszubildende zu finden. Manche Betriebe haben zum 1. September nicht alle freien Stellen besetzt. Woran liegt das?
Christoph Leberle ist Karosseriebaumeister und hat einen kleinen Betrieb mit fünf Mitarbeitern in Lechhausen. Dort bildet er regelmäßig aus. „Wir brauchen junge Fachkräfte, damit unser Berufsstand am Leben bleibt. Und die fallen nicht vom Himmel, sondern wir müssen sie heranziehen. Das geht nur über die Ausbildung“, sagt der 41-Jährige. Doch seit er den Betrieb vor zehn Jahren von seinem Vater übernommen hat, sei die Suche nach Azubis zunehmend schwieriger geworden. „Es gibt immer weniger geeignete Interessenten“, schildert Leberle seine Situation.
Damit steht er nicht allein: Von diesem Problem berichten viele, vor allem aus mittelständischen und kleinen Unternehmen – sowohl in der Industrie als auch im Handwerk. „Die Bewerber stehen nicht mehr Schlange und die Betriebe können nicht mehr groß auswählen. Vielmehr müssen sie zielgerichtet nach Auszubildenden suchen“, gibt Ulrich Wagner, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer für Schwaben die Erfahrungen der Mitgliedsbetriebe wieder. Die Gründe seien vielschichtig. Gesellschaftliche Entwicklungen spielten aber eine wesentliche Rolle.
Das sieht auch Peter Saalfrank, Hauptgeschäftsführer der IHK Schwaben, so: „Aufgrund des demografischen Wandels kommen immer weniger Schulabgänger nach. Dazu kommt der Akademisierungstrend in der Gesellschaft. Diesen müssen wir dringend korrigieren und aufzeigen, dass auch Aus- und Weiterbildung zum Erfolg führen können“, sagt Saalfrank. Wagner ergänzt: „60 bis 70 Prozent eines Schuljahrgangs besucht eine weiterführende Schule oder studiert. Teils nur, um dem Trend zu folgen. Dabei gibt es im Handwerk zahlreiche Karrierechancen. Und mancher Handwerker verdient mehr als ein Akademiker.“
Noch hält sich der Mangel an Auszubildenden in Schwaben in Grenzen. Im Handwerk konnte mit 2984 neu eingetragenen Ausbildungsverhältnissen ein Plus von 1,7 Prozent verbucht werden, sagt Wagner, bei der IHK konnte man zum 31. Juli mit 6962 Ausbildungsverträgen sogar ein Plus von 4,2 Prozent gegenüber dem Vorjahres- verzeichnen. „Es ist aber zu erkennen, dass es Branchen gibt, die sich leichter tun als andere“, geben Wagner und Saalfrank offen zu. Im Handwerk kämpften vor allem Bäcker und Metzger, im Bereich der IHK treffe es die Bereiche Gastronomie, Hotellerie und Logistik. Die Arbeitszeiten, ein oft zu Unrecht schlechter Ruf oder die Bezahlung hielten junge Menschen ab, sich in diesen Bereichen zu bewerben. Große Unternehmen hätten zudem den Vorteil, mit attraktiven Vertragsbestandteilen zu locken – und daher meist die größere Auswahl an Bewerbern. Auf diese Weise griffen sie zudem schon die Bestqualifiziertesten ab.
Eine Erfahrung, die auch Christoph Leberle – trotz vieler guter Auszubildenden – gelegentlich schon gemacht hat. „Aufgrund der geringeren Auswahl sinkt auch das Niveau. Da mangelt es bei manchen Bewerbern leider an Grundfähigkeiten, die für das Erlenen des Berufs nötig sind, oder an Sozialkompetenz“, erzählt er. Auch Wagner und Saalfrank erhalten diese Rückmeldungen. „Einige Unternehmen bieten mittlerweile Nachhilfeunterricht an, um gewisse Defizite wettzumachen, und wir hören immer wieder, dass es verstärkt an Benehmen und Teamfähigkeit mangle“, berichtet Saalfrank. „Ausbilder brauchen viel Geduld und immer häufiger besondere pädagogische Fähigkeiten“, zieht Wagner sein persönliches Fazit.
Jammern helfe aber nichts, stattdessen müsse man sich den neuen Gegebenheiten anpassen und Wege zu einer Lösung finden. Beide Kammern haben daher – auch bundes- weit – verschiedene und langjährige Kampagnen aufgesetzt, um für die Aus- und Weiterbildung als Alternative zum Studium zu werben. So besuchen sowohl IHK als auch HWK so intensiv wie nie Schulen, wenden sich mit Aufklärungsaktionen direkt an die Eltern, schließen Patenschaften zwischen Firmen und Schulen und werben für verpflichtende oder freiwillige Praktika – im Speziellen an Gymnasien. Mit ersten Erfolgen übrigens.
Um schwächere Branchen wie den Dienstleistungssektor und den Handel zu stärken, werden seitens der IHK Teilzeitausbildungen für Spitzensportler (beispielsweise FCA-Jugendspieler) oder Mütter angeboten. Für lernschwache junge Menschen über 25 Jahre gibt es ab 2017 die Möglichkeit, in bestimmten Bereichen eine sogenannte Teilmonat qualifikation mit Zertifizierung durch die IHK abzuschließen. Hier wird nicht die komplette Ausbildungszeit absolviert, sondern in einem stark verkürzten Zeitraum ganz gezielt für einen speziellen Einsatzbereich geschult. Das könnte laut Saalfrank auch eine Möglichkeit für Flüchtlinge sein, die eine Ausbildung nicht schaffen würden. Darüber hinaus existieren Konzepte, um ganz gezielt bestimmte Personengruppen wie Studienabbrecher oder Jugendliche ohne Schulabschluss anzusprechen und ebenfalls in Ausbildung zu bringen.
Doch nicht nur die Kammern arbeiten auf Hochtouren, auch die Unternehmen selbst sind zu mehr Aktivität gezwungen. „Unsere Betriebe veranstalten Tage der offenen Tür, nehmen an Jobmessen teil oder versuchen, mit anderen Werbemaßnahmen wie besonders gestalteten Firmenfahrzeugen auf sich und ihren Betrieb aufmerksam zu machen“, schildert Wagner. Das koste zusätzliche Energie und Geld, was gerade kleinen Betrieben, in denen es keine eigene Personal- oder Marketingabteilung gebe, viel abverlange.
Die Vertreter der Kammern hoffen, dass sich die Mühe der Unternehmen lohnt, und weisen darauf hin, dass man sich auch dann noch auf einen Ausbildungsplatz bewerben könne, wenn die Werbekampagnen bereits wieder zurückgefahren werden. „Der 1. September als Stichtag ist nicht in Stein gemeißelt“, so Ulrich Wagner. Christoph Leberle hat für das beginnende Ausbildungsjahr bereits einen Azubi gefunden und hofft, dass er auch künftig ausbilden kann.
Ausbilder brauchen pädagogisches Geschick