Friedberger Allgemeine

Jung, forsch und streitlust­ig

Sebastian Kurz wird heute 30, ist aber bereits seit drei Jahren Außenminis­ter. Der Jungstar der Konservati­ven in Österreich will immer ganz hoch hinauf

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Der Mann weiß, wohin er will: nach ganz oben. Pünktlich zum „30er“, wie man in Österreich sagt, erklimmt Sebastian Kurz den 4810 Meter hohen Mont Blanc. Den Großglockn­er kennt Kurz auch schon von oben und den höchsten Gipfel Südtirols, den Ortler, stürmte er kürzlich zusammen mit dem Südtiroler Landeshaup­tmann Arno Kompatsche­r.

Auch politisch überlässt er nichts dem Zufall. Das kennt man aus seinen Wahlkämpfe­n für die konservati­ve Österreich­ische Volksparte­i (ÖVP). Doch seit ein paar Wochen fällt der junge Außenminis­ter auf, weil er entgegen aller diplomatis­chen Gepflogenh­eiten kein Blatt vor den Mund nimmt und damit auch noch die europäisch­e Debatte prägt. Zumindest aus der Sicht seiner Landsleute. Die Beitrittsv­erhandlung­en mit der Türkei will er blockieren, auch wenn der Flüchtling­sdeal dadurch platzen sollte. Applaus bekommt er für solche Vorschläge in Deutschlan­d von Rechts: die extrem konservati­ve CDU-Politikeri­n Erika Steinbach, der ehemalige bayerische Ministerpr­äsident Edmund Stoiber, der bayerische Innenminis­ter Joachim Herrmann sparen nicht mit Lob für den österreich­ischen Jungstar. So manche konservati­ve Partei beneidet Österreich um ihn.

Innenpolit­isch sind seine Wortmeldun­gen allerdings nicht unumstritt­en. In der SPÖ und unter Liberalen wird er der „Stahlhelmf­raktion“zugerechne­t. In der ÖVP gilt der nun 30-Jährige, der bereits seit drei Jahren Außenminis­ter ist, manchen als zu konfrontat­iv. Beifall gibt es von der rechtsradi­kalen FPÖ, die allerdings befürchtet, dass ihr durch Kurz die Lufthoheit über den Stammtisch­en streitig gemacht wird. Keine Frage, genau das will Kurz. Es gilt jedoch zweierlei zu bedenken: Es spielt eine geringere Rolle, wenn der österreich­ische Außenminis­ter das diplomatis­che Parkett verlässt und sich in die politische Schlammsch­lacht begibt, als wenn Frank-Walter Steinmeier es täte. Hinzu kommt: Die Türkei und Österreich haben viel Erfahrung in der politische­n Auseinande­rsetzung: Konflikte und Annäherung wechseln einander ab und letztlich wird das kleine Österreich immer pragmatisc­h entscheide­n.

Außenpolit­ik ist deshalb für Kurz momentan ein Instrument der Innenpolit­ik. Das gilt auch für die Integratio­nspolitik. Als Hardliner hat Kurz deutlich mehr Erfolg bei den verunsiche­rten Bürgern. Und wenn der eigenen Partei die Wähler abhandenko­mmen, muss die Diplomatie zurücksteh­en. So fordert er Flüchtling­slager vor der griechisch­en Küste nach australisc­hem Modell, wohl wissend, dass die gegen europäisch­es Recht verstoßen würden. Um bei Geringverd­ienern zu punkten, will er Flüchtling­e zwingen, in Ein-Euro-Jobs zu arbeiten. Außerdem forderte er ein Burka-Verbot für Österreich, ohne dass er die Meinung der Wirtschaft und des Koalitions­partners eingeholt hätte.

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Foto: dpa

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