Das Beben kam nicht überraschend
Eine Wahl-Italienerin erzählt, warum die Menschen jetzt die Türen offen stehen lassen
Frau Diepenbruck, Sie sind gerade in Gundremmingen. Wann fahren Sie zurück in die Nähe von Amatrice? Katharina Diepenbruck: Ich fahre nächste Woche wieder heim nach Italien, ich muss wieder arbeiten. Mein Mann ist auch schon wieder dort. Unsere Kinder – sie sind sieben, 13 und 14 Jahre alt – schicken wir aber zu den Großeltern ans Meer, da sind sie sicher. Sie sollen die ganze Panik nicht mitbekommen, die Lage ist noch zu instabil.
Diepenbruck: Nein, ich werde in meinem Bett schlafen, unser Haus ist erdbebensicher gebaut. Mein Mann schläft im Moment noch im Auto, in Amatrice sind nachts alle Parkplätze voll mit Leuten, die sich nicht zurücktrauen in ihre Häuser. Die Menschen lassen jetzt, bei den vielen Nachbeben, die Haustüren offen stehen. Denn bevor ein Haus einstürzt, verschieben sich die Strukturen, da bringt man die Tür nicht mehr auf, um schnell ins Freie zu fliehen. In die Hochhäuser geht zurzeit niemand zurück. Diepenbruck: Wir wissen, dass wir in einer erdbebengefährdeten Gegend wohnen. Und wir wissen auch, wie wir uns verhalten müssen, wenn die Erde wackelt. Da hat die Region aus dem Beben in L’Aquila viel gelernt.
Diepenbruck: Die Kinder haben mindestens zwei bis dreimal im Jahr Katastrophenübungen in den Kin- dergärten und Schulen – manchmal angekündigt, manchmal nicht. Wenn die Alarmglocke schrillt, müssen sie in Schutzstellung unter die Tische kriechen und dort bleiben, bis es wieder klingelt. Dann dürfen sie an den Wänden entlang nach draußen ins Freie.
Diepenbruck: Ja, regelmäßig. In den letzten Wochen waren mehrere kleine Erdstöße zu spüren. Das konnte man auch auf Internetseiten nachlesen, die diese registrieren. Wir haben gewusst, dass ein großes Beben droht, wenn die Erde über Wochen nicht zur Ruhe kommt. Wir wussten nur nicht wann.
Diepenbruck:
Dass wir schon wieder betroffen sind. Erst 2009 war in unserer Nähe in L’Aquila das schwere Erdbeben, wir waren im Frühjahr erst wieder auf einer Trauerfeier. L’Aquila ist eine Geisterstadt, die größte Baustelle der Welt. Jeder kennt jemanden, der dort umgekommen ist. Jetzt ist es wieder genauso. Und es ist ja nicht nur Amatrice. Zu dem Ort gehören 60 kleine Dörfer. Saletta zum Beispiel, ein Weiler mit 13 Einwohnern. Dort gab es 22 Tote – alle Bewohner und ihre Sommergäste sind gestorben.