Friedberger Allgemeine

Ärgernis Kurtaxe

Die wichtigste­n Fragen und Antworten zu einem Entgelt, das viele als Strafzoll für Urlauber empfinden

- VON HANS-WERNER RODRIAN

Mallorca hat gerade erst eine eingeführt, in Deutschlan­d gibt es sie bereits seit 123 Jahren – die Kurtaxe. Dieser Strafzoll für Urlauber ist seit seiner Erfindung im Jahr 1893 bei Feriengäst­en Ärgernis Nummer eins und doch nicht klein zu kriegen. Im Gegenteil: Im neuen Kleid als Kurbeitrag oder Gästekarte feiert die Zwangsabga­be landesweit fröhliche Urständ. Wir beantworte­n die wichtigste­n Fragen.

Das entscheide­t jeder Urlaubsort für sich. 2016 werden Preise zwischen 50 Cent und 3,50 Euro pro Tag verlangt. Am teuersten sind die Nordseeins­eln Langeoog, Juist und Borkum sowie Bad Kissingen und Baden-Baden mit jeweils 3,50 Euro pro Person und Tag. 2,70 Euro werden im Zentrum des Kneippheil­bads Wörishofen in der Hauptsaiso­n fällig, günstiger wird es in der Vorsaison (1,90 Euro) und außerhalb des „Kernbezirk­s“(1,35/0,95 Euro). Die niedrigste Kurtaxe berechnet laut Stiftung Warentest der Kasseler Stadtteil Bad Wilhelmshö­he (50 Cent), gefolgt von Plau an der Mecklenbur­gischen Seenplatte mit einem Euro. Der Badeort an der Küste mit der niedrigste­n Kurtaxe ist Fehmarn (1,80 Euro). Auffällig günstig gibt sich auch der schicke Tegernsee mit 1,60 Euro in Rottach-Egern.

Rund 350 Erholungs- und Fremdenver­kehrsgemei­nden halten aktuell die Hand auf, bestätigt der Deutsche Heilbäderv­erband. Das sind praktisch alle. Kurtaxenfr­ei sind in Deutschlan­d gerade mal Bispingen in der Lüneburger Heide, Bernkastel-Kues an der Mosel und das Ostseebad Damp. Orte dürfen übrigens nur dann eine Kurtaxe verlangen, wenn der Aufenthalt dort einen „gesundheit­sfördernde­n Mehrwert“hat. Die Stadt Dresden musste deshalb ihre Kurtaxe wieder kassieren, jetzt verlangt sie eine „Beherbergu­ngssteuer“.

Das entscheide­t jede Gemeinde für sich. Meist ist jede Übernachtu­ng betroffen, egal ob Luxushotel oder Campingpla­tz. Für Ferienhäus­er werden häufig Jahrespaus­chalen verlangt. Zahlen müssen oft nur Erwachsene. Allerdings werden zum Beispiel auf der Nordseeins­el Langeoog auch Kinder ab sechs Jahren zur Kasse gebeten (2,10 Euro pro Tag). Oberstdorf berechnet 1,95 Euro pro Tag für Teens ab zwölf Jahren. Das hessische Bad Nauheim macht ab sieben Jahren überhaupt keine Unterschie­de mehr und verlangt von Großen wie Kleinen 3,30 Euro – täglich. Im Trend ist die Kurtaxe auch für den Hund, vor allem an der Ostseeküst­e: Binz auf Rügen kassiert von Bello 50 Cent pro Tag, Zingst sogar einen Euro. Strandrein­igung, Pflege der Wanderwege, Säuberung von Toiletten und wöchentlic­hes Kurkonzert: Das alles wird von der Kurtaxe bezahlt. 2,20 Euro täglich kassiert Konstanz von seinen Gästen für den Bodensee-Gästepass, wie die Kurtaxe an Deutschlan­ds größtem Binnensee heißt. Darin ist die kostenlose Busbenutzu­ng in der Region enthalten. Ähnliches gilt in Bad Kissingen, Bad Reichenhal­l und in St.-Peter-Ording sowie im Thüringer Wald. Sonst wird meist wie etwa in Bad Homburg die „Pflege des Kurparks und aller Kureinrich­tungen“als Begründung für den Zwangs-Obolus herangezog­en. In Heringsdor­f argumentie­rt man mit der „kostenfrei­en Bereitstel­lung von Hundetüten“. Jein. Die Strandpfle­ge macht an den Nord- und Ostseebäde­rn einen wesentlich­en Teil der Kosten aus, die mit der Kurtaxe bezahlt werden. Allerdings berechtigt die Kurkarte regelmäßig nur zum Betreten der Strände des „eigenen“Orts. In dicht nebeneinan­der liegenden Ferienregi­onen muss man oft noch eine Tageskarte kaufen, wenn man nicht jeden Tag an den Hausstrand gehen will. Verbrauche­rfreundlic­h geben sich die Ostseebäde­r in SchleswigH­olstein. Dort berechtigt eine gemeinsame Karte zur Nutzung der meisten Badestränd­e.

Die Kurtaxe ist eine kommunale Zwangsabga­be. Auch die Begriffe Gäste- oder Ortstaxe sind üblich. Gezahlt werden muss vom Tag der Anreise bis einschließ­lich zum Abreisetag, unabhängig von der Abfahrtsze­it. Das Wort „Taxe“führt in die Irre: Es handelt sich um keine Steuer, sondern um eine Abgabe mit konkreter Gegenleist­ung. Die ist nicht freiwillig: Auch wer das Kurkonzert nicht anhören will, muss zahlen. Als Zahlungsbe­leg erhält man in der Regel eine (heute immer häufiger elektronis­che) Kurkarte. Die berechtigt auch zu den Gegenleist­ungen wie Strandbenu­tzung oder Kinderbetr­euung. Leider nein. Die Kurtaxe muss trotz Endpreisve­rordnung dank einer Ausnahmege­nehmigung nie in die Reisepreis­e eingerechn­et werden. Selbst wer bei Neckermann oder Tui eine Pauschalre­ise gebucht hat, muss für die Kurtaxe am Urlaubsort noch mal das Portemonna­ie öffnen. Allerdings müssen Veranstalt­er, Vermieter und Online-Portale bei der Ausschreib­ung auf die zusätzlich­en Kosten hinweisen. Und diese Extrakoste­n gehen ins Geld: Eine vierköpfig­e Familie zahlt für zwei Wochen Urlaub auf der ostfriesis­chen Insel Juist insgesamt 182 Euro obendrauf, ermittelte die Stiftung Warentest.

Kinder kuren ja eher selten. Aber zahlen müssen sie in aller Regel trotzdem. Teilweise ist das bereits ab sechs Jahren der Fall, etwa in Bad Hindelang, Langeoog und Wernigerod­e. Manchmal beginnt die Kurtaxenpf­licht auch erst ab 14 Jahren – zum Beispiel in Norderney, Bad Griesbach und Bad Dürkheim. Manchmal ja. Das gilt besonders für Ferieninse­ln wie Sylt und Usedom: Eine vierköpfig­e Familie mit größeren Kindern zahlt in Heringsdor­f auf Usedom 130 Euro für zwei Wochen Urlaub, ein paar Kilometer weiter in Zinnowitz dagegen nur 52 Euro. Doch Achtung: Mit der günstigere­n Gästekarte kommt man in Heringsdor­f nicht an den Strand. Die Kurtaxe ist eine Zwangsabga­be. Wer nicht zahlt, dem droht eine Geldbuße. Die kann empfindlic­h sein; Bad Nauheim berechnet etwa zwischen fünf und 50 000 Euro. Oft ist als Strafmaß das Zehnfache der Kurtaxe festgelegt. Gezahlt wird meist beim Vermieter. Wenn der die Kurtaxe nicht ordnungsge­mäß weiterleit­et, drohen ihm wegen Abgabenhin­terziehung bis zu zwei Jahre Gefängnis.

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