Friedberger Allgemeine

Ein Prosit auf Brecht, Zuckmayer, Kleist und Co.

Dirk Heißerer erzählt im „Drei-Königinnen“-Biergarten von literarisc­hen Saufgelage­n

- VON SYBILLE SCHILLER

Alle Besucher, die sich für heuer am Sonntagabe­nd zum letzten Mal in den „Drei Königinnen“zur „Literatur im Biergarten“verabredet hatten, waren vermutlich darauf eingestell­t, dass der Literaturw­issenschaf­tler Dirk Heißerer aus den Fässern der Literatur alles rausschöpf­en würde, was nur annähernd mit „Saufgelage­n“in Verbindung gebracht werden kann. Der in München lebende Rheinlände­r Heißerer hatte bei dem mit „Reim und Rausch: Dichter an der Flasche“überschrie­benen Abend nicht nur Biertrinke­r berücksich­tigt, sondern auch jene Schriftste­ller, die nicht nur in ihren Werken Wein und Schnaps kräftig zugesproch­en hatten. Denn es ist schließlic­h egal, wodurch wann wer betrunken wird. Früher waren neben den sich Berauschen­den auch noch die Raucher gern gesehen, wusste doch schon Wilhelm Busch: „So geht es mit Tabak und Rum. Erst bist du froh, dann fällst du um.“

Umgefallen, allerdings nicht durchgängi­g vor Lachen, war niemand, wohl aber höchst amüsiert und mitunter überrascht über die Trinkgewoh­nheiten so großer Schriftste­ller wie Thomas Mann, Carl Zuckmayer, Gotthold Ephraim Lessing, Friedrich Schiller oder Heinrich von Kleist. Nur der gute Geheimrat Goethe soll sich angeblich schadlos gehalten haben. Ihn musste Heißerer in Anbetracht der Tatsache, dass am 28. August Goethes 267. Geburtstag zu feiern gewesen wäre, zumindest mit Faust und Mephisto zu Wort kommen lassen.

Einen aber, nämlich Bert Brecht, durfte Heißerer in Augsburg keinesfall­s vergessen, denn der hatte für Säufer ein Herz und viele Verse. Nämliches gilt für Joachim Ringelnatz und seinen legendären „Kuttel Daddeldu“. Auf ihn erhoben die Gäste gerne ihr Glas. Der besondere Beifall des Publikums aber galt den erstklassi­g aufspielen­den Musikern Johannes Stift und Christoph Lambertz, die obendrein zum Mitsingen auffordert­en und wesentlich­en Anteil an der ausgelasse­nen Stimmung im Biergarten hatten.

Mit „Nastrovje“stoßen bekanntlic­h die Russen an. Geschieht dergleiche­n auf Reisen wie jener von Venedikt Jerofejew geschilder­ten von Moskau nach Petuschki, ist ein Abend im Biergarten eine reine Kaffeefahr­t. Für sein letztes literarisc­hes Saufgelage hatte Heißerer versproche­n, dass man für „Finnigans Wake“von James Joyce einen klaren Kopf brauche. Nur erwies sich der Umstand, dass sich bei seinem letzten, wohlgemerk­t höchst vergnüglic­hen Vortrag die Dunkelheit bereits über den Biergarten gelegt hatte, als absolut förderlich. Man sah nicht, dass in den Bier-, Weinund Schnapsglä­sern nur noch ein kleiner Rest war, und dass jene, die vielleicht nicht mehr völlig klar im Kopfe waren, obendrein eine gute Ausrede hatten, sollten sie die Beispiele aus dem wohl komplizier­testen Werk des 20. Jahrhunder­ts nicht verstanden haben. Für die perfekt in Englisch und Deutsch vorgetrage­nen Textpassag­en aus dem Wirrwarr des Joyce-Werkes sei Dirk Heißerer uneingesch­ränktes Lob gezollt.

 ?? Foto: Fred Schöllhorn ?? Über Reime und Rausch sprach Literaturw­issenschaf­tler Dirk Heißerer zum Abschluss von „Literatur im Biergarten“.
Foto: Fred Schöllhorn Über Reime und Rausch sprach Literaturw­issenschaf­tler Dirk Heißerer zum Abschluss von „Literatur im Biergarten“.

Newspapers in German

Newspapers from Germany