Friedberger Allgemeine

CSU will klare Kante zeigen, ohne populistis­ch zu sein

Das neue Parteiprog­ramm ist eine Gratwander­ung. Ordnung und Zukunft sind die Schlüsselb­egriffe in dem Entwurf

- VON ULI BACHMEIER

München Die Lästereien über Politiker, die sich Gedanken übers Grundsätzl­iche machen, sind Legende. Alois Glück, 76, der in der CSU jahrzehnte­lang den Beinamen „Vordenker“trug, durfte das oft genug erleben. Markus Blume, 41, dem jungen Intellektu­ellen aus München, der seit knapp zwei Jahren die Grundsatzk­ommission der Partei leitet, wird es nicht anders ergehen. Wer CSU-Abgeordnet­e anruft, um sie nach ihrer Meinung zum neuen Grundsatzp­rogramm der Christlich Sozialen Union zu befragen, bekommt nicht selten Antworten wie: „Das liest doch sowieso keiner.“Oder: „Lohnt sich nicht. Es gibt eh bald wieder ein neues.“

Erst vor neun Jahren gab sich die CSU ein neues Grundsatzp­rogramm. Jetzt ist es wieder so weit. Und auf den ersten Blick findet sich in dem Entwurf nichts grundsätzl­ich Neues. Die CSU will weiter modern und konservati­v, liberal und sozial, traditions­bewusst und weltoffen sein. Sie will Rechtsstaa­t und Demokratie, Freiheit und Menschenwü­rde verteidige­n. Sie bekennt sich zu Europa und zur westlichen Wertegemei­nschaft und stemmt sich gegen politische­n Extremismu­s und religiösen Fanatismus.

Auf den zweiten Blick freilich fin- den sich spannende Unterschie­de. Das beginnt schon bei den äußeren Umständen. Als unter der Regie von Alois Glück das letzte Grundsatzp­rogramm geschriebe­n wurde, steckte die CSU mit ihrem angeschlag­enen Vorsitzend­en Edmund Stoiber in einer tiefen Krise. Die Arbeit an dem Programm war ein Akt der Selbstverg­ewisserung.

Jetzt geht es der CSU wieder blendend, aber die Welt ist, wie Parteichef Horst Seehofer immer wieder sagt, „aus den Fugen geraten“. Darauf versuchen Blume und seine Mitstreite­r eine Antwort zu geben. Ihre Schlüsselb­egriffe lauten Ordnung und Zukunft. „Wir wollen im ganz konservati­ven Sinne Zukunft gestalten, aber nicht mit Populisten in einen Wettbewerb der Parolen eintreten“, sagt Blume.

Was das für eine Gratwander­ung ist, zeigt sich bei den aktuell heiklen Themen wie Zuwanderun­g und Integratio­n sowie bei der Frage nach dem Umgang mit dem Islam. So wurde zwar der Satz wieder aus dem ersten Entwurf gestrichen, dass in Deutschlan­d das Grundgeset­z gelte und nicht die Scharia. Drin stehen aber blieb die Aussage: „Der politische Islam gehört nicht zu Deutschlan­d.“Außerdem: Kopftuch und Burka sollen „für Vertreter der Staatsgewa­lt“verboten sein. Und wer als Zuwanderer keine Integratio­nsfortschr­itte nachweisen könne, „muss wieder gehen“.

Härte will die CSU auch in der Sicherheit­spolitik zeigen. So soll, was bisher tabu ist, die Bundeswehr künftig auch „zur Verteidigu­ng der Inneren Sicherheit gegen terroristi­sche Bedrohunge­n und beim Angriff auf kritische Infrastruk­turen“zum Einsatz kommen können. Dazu sagt Blume: „Der Wunsch nach klarer Kante und klarem Profil ist im Moment sehr stark in unserer Partei.“

Zum Thema Homo-Ehe, das vor neun Jahren in der CSU für hitzige Debatten sorgte, finden sich in dem Entwurf dagegen Formulieru­ngen, die es offenbar allen recht machen sollen. Diskrimini­erung gleichgesc­hlechtlich­er Partnersch­aften dürfe es nicht geben. Gleichzeit­ig heißt es, die Ehe von Mann und Frau dürfe nicht relativier­t werden.

Das neue Programm soll nun bei einer Vorstandsk­lausur diskutiert und beim nächsten Parteitag beschlosse­n werden. Ob es auch gelesen wird? Zumindest ein Mitglied der Grundsatzk­ommission räumte am Telefon ein, dass er das alte Programm „nie gelesen“hat.

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Markus Blume

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