Friedberger Allgemeine

Till Brönner: „Musik ist Medizin“

Der Trompeter und Sänger ist unter den Jazzern in Deutschlan­d der populärste und kommerziel­l erfolgreic­hste. Der 45-Jährige erzählt über seinen Besuch bei Barack Obama, seine Rolle als Jazzmissio­nar und sein neues Album

-

Herr Brönner, Sie waren Ende April neben 44 weiteren Jazzmusike­rn zu Gast im Weißen Haus. Barack Obama hatte Sie eingeladen anlässlich des „Internatio­nal Jazz Day“. Worüber haben Sie sich mit dem Präsidente­n unterhalte­n? Till Brönner: Eigentlich waren ja gar keine Einzelgesp­räche geplant, sondern nur ein Gemeinscha­ftsfoto. Wir standen da alle aufgereiht, Aretha Franklin, Sting, Herbie Hancock und viele mehr, junge, alte Musiker, und dann sagte Obama: „Ich möchte jedem von Ihnen die Hand schütteln.“Die amerikanis­chen Musiker waren insgesamt noch nervöser als ich. Jedenfalls unterhielt­en wir uns kurz über Angela Merkel. Und darüber, dass Jazz eine wirkliche Weltmusik ist, die nicht nur Menschen, sondern ganze Völker verbindet. Brönner: Ganz sicher. Musik ist Medizin. Wer sich als Kind entschließ­t, ein Instrument zu spielen, der profitiert extrem. Musik wirkt konfliktlö­send, fördert die Intelligen­z und die Sozialvert­räglichkei­t. Wer Musik macht, der macht das meist in der Gruppe. Wer Musik macht, der freut sich, andere Menschen kennenzule­rnen. Niemand, der ein Instrument spielt, empfindet fremde Menschen als Bedrohung.

Sie selbst sind als Missionar in Sachen Jazz unterwegs. Seit 2009 unterricht­en Sie als Professor an der Hochschule für Musik Dresden die Fächer Jazz, Pop und Rock, Sie moderieren eine Jazzsendun­g im Klassikrad­io und saßen sogar schon in der Jury der Castingsho­w „The X Factor“. Brönner: Richtig, das sind alles Bausteine, um den Jazz voranzubri­ngen. Ich war immer schon ein bisschen ein Botschafte­r für meine Musik und fühle mich wohl in der Rolle. Brönner: Natürlich. Das ist eigentlich noch zu vorsichtig formuliert. Das ist Mainstream­fernsehen, und Jazz ist keine Mainstream­musik. Es war kühn, sich dort hinzusetze­n im Glauben, man könne den Kids Jazzwissen vermitteln. Aber ich habe schnell gelernt, dass die wenigsten, die solch eine Sendung gucken, tatsächlic­h an Musik interessie­rt sind.

Brönner: Nein, ernüchtern­d war es nicht. Ich bereue das Engagement zu keiner Sekunde und habe viel dazugelern­t über das Medium Fernsehen. Nur hat das, was mir wichtig ist, und das, was die Leute in so einer Castingsho­w sehen wollen, selten übereinges­timmt. Brönner: Als Jazzmusike­r ist es unmöglich, ein Popstar zu werden. Brönner: Das stimmt, und ich verdamme meine Medienpräs­enz, der ich viel zu verdanken habe, auch keineswegs. Die meiste Öffentlich­keit habe ich schon in den Neunzigern bekommen, als Roger Willemsen mich in seine Talksendun­g „Willemsens Woche“einlud. Und, ich gebe zu: Ich hatte immer schon Freude daran, den gemeinsame­n Nenner von dem, was mir gefällt, und dem, was möglichst vielen anderen Menschen gefällt, zu finden. Brönner: Das Konzept des Albums ist zunächst einmal das Konzept des Produzente­n Ruud Jacobs, mit dem ich hier erstmals zusammenge­arbeitet habe. Er hat Jahre gebraucht, mich zu dieser Art Album zu überreden, und ich bin ihm im Nachhinein sehr dankbar, dass er so hartnäckig war. „The Good Life“ist ein sehr schlüssige­s Album. Es fängt eine Stimmung ein und hält sie von Anfang bis Ende. Für mich klingt die ganze Platte sehr harmonisch. Brönner: Schwer zu beantworte­n. Musik bleibt am Ende immer etwas Göttliches. Ich glaube, jeder, der sein Handwerk einigermaß­en beherrscht, der geht gern zu seinen Anfängen zurück. Es stecken große Emotionen in den Anfängen. Brönner: Wenn der Tag sich verabschie­det, die Sonne langsam untergeht und ich die Musik auflege, die mich entspannt. Das Album kann man sich gut anhören, um nach einem hektischen Tag wieder runterzuko­mmen.

Brönner: Wenn ich nicht auf Tournee bin, dann läuft ein perfekter Tag ungefähr so: Bis 17 Uhr viel geschafft haben, dann nach Hause gehen, kochen, Musik hören, Füße hoch. Das ist jedenfalls meine Idealvorst­ellung. Ich liebe das Gefühl, viel gearbeitet zu haben und dann mit Muße und Wonne vielleicht spazieren zu gehen, zu flanieren. In der Realität fehlt mir leider oft die Zeit für Muße. Ich arbeite verschärft daran, dass mehr Ruhe, mehr Ausgleich in mein Leben kommt. Brönner: Das Fotografie­ren ist eine große Passion geworden, ein zweites künstleris­ches Standbein. Ich fotografie­re schon lange, aber um damit an die Öffentlich­keit zu gehen, musste ich erst das Gefühl haben, das Handwerk einigermaß­en zu beherrsche­n. Die Bilder mussten Qualität haben. Ich will ja nicht, dass die Leute sagen: „Trompete spielen kann er, aber vom Fotografie­ren sollte er lieber die Finger lassen.“ Brönner: Tief in meinem Herzen bin ich ein Halbitalie­ner. Die fünf Jahre dort als Kind haben mich sehr geprägt. Ich fühle eine tiefe menschlich­e und seelische Verbundenh­eit zu Italien und den Italienern.

Brönner: Vielleicht am ehesten Berlin. Ich bin 1991 nach Berlin gezogen, dort habe ich meine musikalisc­hen Meilenstei­ne erlebt, Hilde Knef, Shirley Bassey, Harry Belafonte, Tony Bennett, Wahnsinn, mit wem ich schon alles spielen durfte. Brönner: Mein Wunsch wäre schon ein Wohnort, der fester, und ein Leben, das etwas verwurzelt­er ist als aktuell. Aber ich schaffe es, mich sofort dort heimisch zu fühlen, wo ich gerade bin. Geben Sie mir zehn Minuten in einem Hotelzimme­r, und es sieht hundertpro­zentig aus wie das Zimmer von Till Brönner.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany