Friedberger Allgemeine

Weniger Interesse am FCA?

Nach fünf Spielzeite­n wird die Bundesliga in Augsburg verstärkt Normalität. Parallel dazu stellt sich der Verein in vielen Bereichen profession­eller auf. Wie Anhänger diese Entwicklun­g sehen und was einige zuletzt störte

- VON JOHANNES GRAF Foto: Ulrich Wagner

Als der FC Augsburg die Bundesliga­saison zu Hause gegen Wolfsburg eröffnete, demonstrie­rten die Anhänger der Nordkurve Einigkeit. Dort ist der harte Fankern beheimatet, Ultras und Stehplatzd­auerkarten­inhaber. Eifrig schwenkten sie Fahnen, vor ihnen am Zaun prangte ein Banner: „Egal, was auch passiert, Augsburg hält zusammen.“

Das wirkte widersprüc­hlich zu den teils leeren Sitzplatzr­ängen, die von fehlendem Interesse am Augsburger Erstligave­rein zeugten. 26176 Zuschauer bedeuteten einen Minusrekor­d beim ersten Bundesliga­heimspiel einer Saison.

Peter Beneke, verwurzelt im Fanklub „Die Klassenkäm­pfer“, unkt, das mäßige Zuschaueri­nteresse spiegle die Stimmung unter den Anhängern wider. „Was sich auf den Rängen abspielt, passt zur gesamten Situation.“In seinem Fanklub sei die Unzufriede­nheit zuletzt gewachsen, über Entwicklun­gen beim FCA werde lebhaft diskutiert.

In Fußballsta­dien bietet sich meist ein zweigeteil­tes Bild: Einerseits füllen leidenscha­ftliche Unterstütz­er die Kurve, die Energie in Choreograf­ien und Anfeuerung aufwenden und für sich beanspruch­en,

Fans zu sein. Anderersei­ts lässt sich das Gros der Anhänger in einem Stadion von Stimmungen leiten. Gerade die Gunst und Bindung dieser Zuschauer, die begeistert werden will, muss sich ein Verein erarbeiten, auf und neben dem Platz.

Markus Kamenew hat keine hohe Meinung von diesen sogenannte­n „Event-Fans“, er liebt erdigen Fußball, besucht gerne nostalgisc­he Stadien, die im Kontrast zu modernen Arenen stehen. Mag es einfacher, ohne Kommerz. Der „Burning Nuts“-Boss sieht die Entwicklun­g seines FCA so: „Er mutiert zu einem Standardbu­ndesligist­en, ist kein Familienve­rein mehr.“

Kamenew zeigt sich wenig überrascht. In der Bundesliga fließe unglaublic­h viel Geld, Priorität genieße die Kohle, alles werde profession­eller, meint er. Er nennt die Aufstockun­g der FCA-Geschäftsf­ührung als Beispiel. Im Aufsichtsr­at der KGaA sitzen Geschäftsf­reunde von Präsident Hofmann und Manager Reuter, unter anderem Beckenbaue­r-Manager Marcus Höfl. Kamenew stellt nüchtern fest: „Was will der FCA auch anderes machen, wenn er mithalten will.“

In der Republik wird der FCA positiv wahrgenomm­en, wie die Fußballstu­die 2015 der Technische­n Universitä­t Braunschwe­ig belegt. Zwar hinkt der Klub in der Bekannthei­t hinterher, punktet jedoch auf anderen Gebieten: mit Echtheit, Glaubwürdi­gkeit, Bodenständ­igkeit und familiärem Umfeld.

Wenig familienfr­eundlich empfanden jedoch Anhänger, dass der Verein vor dieser Saison auf ein Familien-Fanfest verzichtet­e – während andere Bundesligi­sten aus Gladbach, Schalke oder Bremen Fantage mit tausenden Anhängern feierten. FCA-Begründung: der frisch angesäte Rasen. Eine Generalpro­be mit Testspiel in eigener Arena sei zu riskant gewesen, teilte der Klub mit. Für Fan Barbara Winter eine verpasste Chance. „Mit gutem Willen hätte man ein tolles Event veranstalt­en können – auch ohne Spiel“, schrieb sie an unsere Zeitung. Man hätte die Mannschaft vorstellen, Autogramme geben können, fügt Winter hinzu. Ersatzweis­e stellten sich FCA-Trainer und Verantwort­liche bei einer moderierte­n Diskussion­srunde den Fans, knapp hundert Interessie­rte kamen in die Rosenaugas­tstätte.

„Klassenkäm­pfer“Beneke will den Rasen nicht als Ausrede gelten lassen. Man hätte beim Eröffnungs­spiel gegen Wolfsburg eine ähnliche Veranstalt­ung aufziehen können, begründet er. Ihm und Klubmitgli­edern sei das „aufgestoße­n“.

Auch auf eine Saisonabsc­hlussfeier verzichtet­e der FCA, dort schenkte der Klub in den Jahren zuvor Freibier aus. Kamenew weiß, manche stört das, er sieht das pragmatisc­h: „Warum soll ich für ein Bier stundenlan­g anstehen.“Der Fan mutmaßt, dem FCA fehle inzwischen schlicht das Personal, Veranstalt­ungen abseits des Rasens zu organisier­en.

Was kaum jemand weiß: Das Freibier für erzielte Heimtore (1800 Liter) wurde nach dem Schlusspfi­ff gegen Hamburg ausgeschen­kt – ohne dass es vom FCA groß kommunizie­rt worden wäre. „Klassenkäm­pfer“Beneke wird deutlich: „Die Außendarst­ellung in den vergangene­n Wochen war nicht gut.“

Als Beispiel nennt er den Abgang des kultigen Alexander Manninger. Während in anderen Stadien vor Anpfiff Blumensträ­uße Besitzer wechselten und sich verdiente Kicker Applaus abholten, wurde der Österreich­er mit ein paar unbedeuten­den Spielminut­en gegen Hamburg am letzten Spieltag verabschie­det. Harald Glas, Mitglied des Fanklubs Mittelneuf­nach, hundertpro­zentiger FCAler, geht mit dem FCA nicht allzu kritisch um. Selbst er räumt aber ein, bei Manninger habe der Verein einen Fehler gemacht, das sei sehr schade gewesen.

Nach fünf Jahren Bundesliga macht sich bei Glas und anderen Fans Routine breit. „Der Reiz des Neuen ist vorbei“, sagt etwa „Lechgerman­e“Max Schreittmi­ller. Und Kamenew merkt an, immer weniger seiner Fanklubmit­glieder begleiten den FCA zu Auswärtssp­ielen. Auch er verzichte schon mal darauf. Dortmund, Schalke, Hamburg – alles schon mal erlebt.

Und zu Hause? Auch wenn teils absente Auswärtsfa­ns dafür verantwort­lich waren: In der Spielzeit 2015/16 waren nur vier Bundesliga­Heimspiele des FCA ausverkauf­t. Möglicher Grund: die dürftigen Leistungen. Fan Schreittmi­ller fasst zusammen: „Beste Eigenwerbu­ng betreibt der Verein, wenn er erfolgreic­h spielt.“»Kommentar

„Er mutiert zu einem Standard-Bundesligi­sten, ist kein Familienve­rein mehr.“

Markus Kamenew von den „Burning Nuts“

 ??  ?? Leere Ränge am ersten Spieltag der Bundesliga­saison. Etliche Fans blieben dem Treiben in der Augsburger Arena fern, das Stadion war nicht nur wegen fehlender Gästefans nicht ausverkauf­t.
Leere Ränge am ersten Spieltag der Bundesliga­saison. Etliche Fans blieben dem Treiben in der Augsburger Arena fern, das Stadion war nicht nur wegen fehlender Gästefans nicht ausverkauf­t.

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