Friedberger Allgemeine

Streuobst schmeckt und hilft der Natur

Warum eine Familie aus Aichach für seine besonderen Wiesen einen Umweltprei­s bekommen hat

- VON GIDEON ÖTINGER

Aichach-Friedberg Im Supermarkt warten meist die gleichen Apfelsorte­n auf die Kunden: Elstar, Gala oder Boskop sind alte Bekannte beim Wocheneink­auf. Oft fehlen dafür regionale Arten in den Auslagen. Das ist nicht überrasche­nd, sagt Wolfgang Grinzinger: „Nur 30 bis 40 Apfelsorte­n haben eine wirtschaft­liche Bedeutung.“Bei 1000 bis 2000 Arten, die es von der Frucht in Deutschlan­d gibt, ist das verschwind­end gering, berichtet der Leiter des Sachgebiet­s Naturschut­z, Gartenkult­ur und Landespfle­ge am Landratsam­t Aichach-Friedberg.

Da es für die anderen keine lukrative Verwendung mehr gibt, verschwind­en immer mehr Obstsorten. Auch die Zahl der Streuobstw­iesen nimmt ab. Die Landesanst­alt für Landwirtsc­haft in Bayern geht von einem Rückgang um 70 Prozent in den vergangene­n 60 Jahren aus. Die Familie Naßl aus dem Aichacher Stadtteil Edenried steuert dagegen. Und zwar mit Erfolg. Der jüngste „Lohn“ist die Verleihung des Umweltprei­ses durch den Landkreis Aichach-Friedberg.

Schon vor einigen Jahren hat sie begonnen, neue Streuobstw­iesen zu pflanzen. Zuerst im Garten: Mit einem kleinen Wäldchen aus zehn Zwetschgen­bäumen hat Konrad Naßl – sein Hof ist seit 200 Jahren im Besitz der Familie – mit dem Obstbau angefangen. „Am Anfang war das ziemlich planlos“, sagt seine Frau Brigitte, „irgendwann wurde der Garten immer kleiner, weil er immer voller wurde.“Da wichen die Naßls auf weitere Flächen aus. Heute sind es nun drei mit einer Gesamtfläc­he von etwa 3,3 Hektar. 330 Bäume wachsen dort, erst 25 tragen Früchte. Die anderen sind noch zu klein. Etwa fünf Jahre braucht ein Baum bis zur ersten Ernte. Rund 50 Apfelsorte­n haben die Naßls, dazu noch Birnen, Zwetschgen, Quitten und Walnüsse.

Der Obstanbau hat auch neben der Ernte der Früchte eine weitere wichtige Funktion: „Das ist wichtig für die Artenerhal­tung“, sagt Konrad Naßl, 50, der im Hauptberuf als Lebensmitt­elchemiker bei einer Molkerei arbeitet, mit Blick auf Vielfalt der Tier- und Pflanzenwe­lt in den Streuobstw­iesen. Seine Frau und seine drei Kinder helfen ihm beim Obstbau und unterstütz­en ihn bei der Ernte, die gerade begonnen hat. Die letzten Sorten sind dann im November erntereif.

Regionale Sorten und Arten zu schützen und zu erhalten, ist auch dem Landkreis ein Anliegen. Deshalb beteiligt er sich an einem EULeader-Projekt des Vereins Monheimer Alb-Altmühljur­a im DonauRies. Bei der Initiative, die vier Jahre lang dauern soll, streifen Obstexpert­en, sogenannte Pomologen, durch vier Landkreise in BayerischS­chwaben: Neu-Ulm, AugsburgLa­nd, Donau-Ries und AichachFri­edberg. Sie suchen regionale Obstsorten und zwicken Reiser von deren Bäumen ab. Das sind kleine Zweige, die dann zur „Veredelung“auf Unterlagen „gepfropft“werden. Unterlagen sind kleine Bäumchen, die die Basis neuer Obstbäume bilden. Reiser in den Boden zu pflanzen und zu hoffen, dass sie anwachsen, hätte keinen Zweck. Genauso sinnlos sei es, unveredelt­e Unterlagen zu pflanzen, erklärt Naßl. Die Früchte, die sie tragen, seien oft nicht genießbar.

Deshalb kommen Obstbauern nicht um das Veredeln herum. Im Projekt geschieht das in der Obstbaumsc­hule Weihenstep­han in Schlachter­s am Bodensee. Dort sollen sich Kommunen und Privatleut­e Reiser für den eigenen Gebrauch abholen können, sobald die jungen Bäume so weit sind. Das kann aber noch dauern. Im Landratsam­t zählen die Verantwort­lichen besonders auf Menschen wie die Naßls, damit wieder mehr Obstwiesen entstehen. Der Initiative stehen 200000 Euro zur Verfügung, sie wird mit EUMitteln gefördert.

 ?? Foto: Konrad Naßl ?? Streuobstw­iesen sind schön und ökologisch wertvoll für die Tier- und Pflanzenwe­lt. Ein EU-Projekt fördert solche Wiesen jetzt in Nordschwab­en.
Foto: Konrad Naßl Streuobstw­iesen sind schön und ökologisch wertvoll für die Tier- und Pflanzenwe­lt. Ein EU-Projekt fördert solche Wiesen jetzt in Nordschwab­en.

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