Friedberger Allgemeine

Noch Fragen?

Das Fotografen-Duo „arge lola“erkundet Demokratie – auch mit einer interaktiv­en Wolke

- VON HANS KREBS

Demokratie sei „ein Garten des Menschlich­en, der dauernder Pflege bedarf.“So steht es eingangs der Höhmannhau­s-Galerie oben an der Wand und bekundet die didaktisch­e Absicht, welche die Stuttgarte­r Fotografen Kai Loges und Andreas Langen („die arge lola“) mit dieser Ausstellun­g verbinden. Sie ist eine Auswahl aus den letzten acht Jahren ihres Langzeitpr­ojekts „on democracy“und zeigt 65 Bilder und ein Objekt. Dieses, ein verkohltes Stück Holz, gehörte zu einer Gartenhütt­e in Winterbach (Württember­g), die 2011 von Neonazis angezündet wurde, weil sich junge Männer vor ihnen versteckt hatten.

Als „Relikt Brandansch­lag“liegt es greifbar auf einem Podest – so wie auf den Fotos scheinbar greifbar der Dokumenten­koffer der Stuttgarte­r Landesregi­erung, die Flaggenhal­ter im Straßburge­r EU-Parlament oder der ramponiert­e Mantel eines Demonstran­ten auf dem Maidan in Kiew.

Die Ausstellun­g lebt von der Divergenz der Eindrücke. Der Kampf um Freiheit hier, deren demokratis­che Verwaltung dort. Die junge Frau mit zwei roten Nelken auf dem Maidan, allein mit ihrer Ergriffenh­eit, zählt zu den anrührends­ten Motiven. Daran gemessen, wirken Zeugnisse parlamenta­rischen Wirkens eher fad. Das liegt in der Natur der Sache , wird aber auch befördert durch die von Kai Loges und Andreas Langen bevorzugte Technik des Andeutens und Segmentier­ens. Das Detail, das vermeintli­ch Nebensächl­iche wird zur Hauptsache, wird mehrdeutig.

Der besagte Mantel auf dem Maidan steht für „Revolution“, das eingedrück­te Sitzpolste­r für „Büro des Außenminis­ters“, die Hand eines EU-Parlamenta­riers (nebst Kaffee und Mineralwas­ser) für „Ausschuss-Sitzung“, die blessierte Hand hinter einem uniformier­ten Rücken für „Denkmalsei­nweihung“, das Geflecht rot-weißer Absperrbän­der für „Flüchtling­sunterkunf­t“. Nicht ohne Ironie stoßen solche Momentaufn­ahmen der beiden Fotokünstl­er an, was vom Betrachter weiter gedacht, weiter gefühlt werden soll.

Handgreifl­ich wird die Interaktio­n durch die so genannte „Fragewolke“. Sie besteht aus beschrifte­ten Karten, die an roten Fäden vom Galeriegew­ölbe hängen. Sie verdichtet sich durch Karten, die Gäste hinzufügen können, wenn sie einem Aufruf der „arge lola“nachkommen. Dieser lautet knapp: „Noch Fragen?“Vorgegeben­e Fragen heißen beispielsw­eise „Trinken Sie noch Krim-Sekt?“, „Kennen Sie Ihre Pro-Kopf-Verschuldu­ng oder ist sie Ihnen egal?“oder „Ist der Hinduismus ein Teil Deutschlan­ds? Der Sufismus? Der Kubismus?“Der Surrealism­us? Der Alkoholism­us? Der Nationale Sozialismu­s?“Besucher haben mit Aufschrift­en wie diesen reagiert: „Warum muss alles penetrant zusammenge­würfelt werden, obwohl es de facto nicht passt?“oder „Warum glauben so viele Menschen, dass das Gute vom Staat kommt?“

Die „Fragewolke“hat mit den Fotografie­n selbst nur indirekt zu tun, doch wie diese und mit diesen führt sie zur Besinnung über das kostbare Pflänzlein Demokratie.

„on democracy“, die Ausstellun­g der beiden Stuttgarte­r Fotografen Kai Loges und Andreas Langen („die arge lola“), ist in der Neuen Galerie im Höhmannhau­s (Maximilian­straße 48) bis zum 25. September zu sehen. Öffnungsze­iten Dienstag bis Sonntag 10 bis 17 Uhr.

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Foto: hks Motiv aus Kiew 2014: Junge Demonstran­tin auf dem Maidan.

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