Eine trügerische Ruhe
Unter Zweigen steht im Prinz-Karl-Viertel ein Oktogon, das heute ausschaut wie ein friedlicher Platz. Wer die Geschichte des Ortes kennt, hört aus der Vergangenheit das gleichförmige Geräusch von Stiefelsohlen
Die Sonne blinzelt durch Blätter des mächtigen Baumes mitten im PrinzKarl-Viertel, man hört das Lachen spielender Kinder und von weit her das gleichmäßige Rauschen der Autos. Unter den Zweigen umringt eine achteckige Mauer mit sieben Arkadenbögen den Baumstamm. Man steht also in einem Raum mit einem Dach aus Blättern, Wind und Licht. Die heute friedliche Szenerie aber täuscht. Denn der jetzige Park war einmal der Kasernenhof des 3. Königlich Bayerischen Infanterieregiments und das scheinbar schützend um den Baum gebaute Oktogon ist ein Kriegerdenkmal.
Es wurde 1898 errichtet und 35 Jahre später erneuert. Am einzigen Mauerabschnitt steht ein Sockel mit einem Bronzelöwen, der sich scheinbar gerade erhebt, um fauchend die bayerische Flagge zu verteidigen.
Tatsächlich erwies sich die Skulptur aus den 1890er Jahren als wehrhaft: 1914 bereits zersägt, um aus den Stücken Kanonen zu gießen, wurde das Material nie verwendet. Narben überziehen deshalb den später wieder zusammengeflickten bayerischen Löwen. Seitlich von ihm erinnern zwei Inschriften-Platten an die gefallenen Soldaten von 1914-18 und 1939-45. Nirgends jedoch ist bis heute ein Hinweis auf die anderen, die zivilen Opfer der schrecklichen Weltkriege zu sehen. Einige von ihnen – Flüchtlinge und Verschleppte – bekamen das Krie- gerdenkmal vielleicht zu Gesicht, als sie nach 1945 in die Kasernengebäude kamen, die zum Teil von der Nothilfe und Wiederaufbauverwaltung der Vereinten Nationen gegeschlossenen In der Sommerserie nutzt wurden. Bald aber erklang wieder das gleichförmige Geräusch hunderter Stiefelsolen: Seit 1950 marschierten US-, später, bis 1992, Bundeswehr-Soldaten an dem Oktogon vorbei. Erst dann durfte der Kasernenhof sich zum Park wandeln. An manchen Tagen tanzt nun das Licht auf den geklinkerten Arkadenwänden und dem geschundenen Bronzelöwen und das Rascheln der Blätter ist das lauteste Geräusch weit und breit.
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