Kleiner Vogel bringt große Pläne ins Wanken
Das Derchinger Gewerbegebiet soll um 110 000 Quadratmeter erweitert werden. Aus Sicht der Naturschützer geht das nicht, doch die Stadt will dazu einen besonderen Weg beschreiten
Friedberg Weitere elf Hektar Bauland möchte die Stadt Friedberg neben dem bestehenden Gewerbegebiet in Derching ausweisen – und stößt damit bei den übergeordneten Fachbehörden auf Ablehnung. Dennoch soll an der Planung festgehalten werden, beschloss jetzt der Stadtrat und leitete ein sogenanntes Zielabweichungsverfahren ein. „Wir sollten es einfach probieren“, riet Baureferent Carlo Haupt den Kommunalpolitikern.
Der Grundstücksverkauf im 20 Hektar großen „Friedberg-Park an der A8 hat sich nach anfänglichen Schwierigkeiten gut entwickelt – bis auf Restflächen ist inzwischen alles verkauft. Im Juli 2015 hat der Planungsund Umweltausschuss des Stadtrats darum eine Änderung des Flächennutzungsplans in die Wege geleitet, um im Norden des Gewerbegebiets ein weiteres Areal erschließen zu können. Die Zusagen Grundstückseigentümer liegen offenbar vor, Geld ist noch nicht geflossen.
Übereinstimmend haben nun aber Landratsamt, Regierung von Schwaben, Regionaler Planungsverband und Stadt Augsburg Bedenken dagegen erhoben. Der Grund: Die Fachbehörden fürchten eine Beeinträchtigung des Regionalen Grünzugs zwischen Augsburg und Friedberg. Außerdem gibt es artenschutzrechtliche Bedenken, denn auf der ins Auge gefassten Fläche wurde ein Brutgebiet der bedrohten Kiebitze festgestellt.
Nach Einschätzung von Vogelkundlern sind diese Bestände zwar inzwischen verschwunden, zumal hier in großem Maßstab Mais angebaut wird. Nicht so einfach lassen sich jedoch die Einwendungen hinsichtlich des Grünzugs aus der Welt schaffen, der als Ziel der Regionalplanung verbindlich ist. Die Stadt hat hier nach eigener Einschätzung nur einen geringen Spielraum – aber den will sie nützen. Notwendig ist dazu ein Zielabweichungsverfahren, das es ermöglicht, von einem verbindlichen Ziel der Raumordnung abzuweichen, sofern die Grundzüge der Planung davon nicht berührt sind. Ob dies im Falle der Gewerbegebietsausweisung funktioniert, ist offen. Einer deutlichen Mehrheit des Stadtrats war es aber einen Versuch wert.
Schließlich gehen der Stadt inzwischen die Gewerbeflächen aus. Und auch in Derching ist dies nach Einschätzung von Baureferent Haupt die letzte Erweiterungsmöglichkeit, im Osten wird die Fläche durch die Seen, im Westen durch den Forellenbach begrenzt. „Wir müssen die finanzielle Leistungsfähigkeit der Stadt erhalten“, sagte Bürgermeister Roland Eichmann (SPD), der auch auf die vielen anstehenden Aufgaben verwies. „Die Vorteile liegen auf der Hand“, sagte CSUFraktionschef Thomas Kleist. Wolfgang Rockelmann (Parteifreie Bürder ger) signalisierte ebenfalls Zustimmung: „Wir sollten uns nicht hinterher den Vorwurf machen lassen, man habe nicht alles versucht.“Angesichts der Erfahrungen mit der gescheiterten Sunstar-Ansiedlung riet SPD-Fraktionschef Roland Fuchs dazu, die Derchinger mit den Plänen der Stadt rechtzeitig und freizügig zu konfrontieren. „Sonst heißt es wieder: Da kommen die Vandalen aus Friedberg, die unseren Ort zerstören“, warnte er.
Widerspruch gab es dagegen von den Grünen. „Wir beklagen den Artenschwund, aber vor unserer Haustür geht das Gewerbegebiet vor Artenschutz“, sagte Fraktionschefin Claudia Eser-Schuberth. Sie verwies außerdem auf Probleme mit dem Grundwasserschutz und äußerte generelle Kritik an der Wachstumsphilosophie: „Wann ist genug genug?“Auch Hubert Nießner (ÖDP) lehnte die Ausweisung ab und sagte: „Ich betrachte das Gewerbegebiet als abgerundet.“»Kommentar