Friedberger Allgemeine

Streit um Service für Kassenpati­enten

Viele Kliniken bieten ambulante Sprechstun­den an. Niedergela­ssene Fachärzte wollen das verhindern. Warum sich der Orthopäde Professor Alexander Wild gegen eine Klage wehrte

- VON JÖRG HEINZLE

Augsburg Für die Patienten ist es ein Service, wenn sie bei einem Rückenleid­en oder anderen Problemen eine ambulante Sprechstun­de in einem Krankenhau­s besuchen können. Sie treffen dort auf jene Ärzte, von denen sie später auch während eines möglichen Klinikaufe­nthalts behandelt und operiert werden. Mitunter erhält man bei einer Klinik-Sprechstun­de auch schneller einen Termin als in einer Facharztpr­axis. Doch den niedergela­ssenen Ärzten, die in eigenen Praxen arbeiten, passt dieses Angebot gar nicht. Sie sehen in den Klinik-Sprechstun­den eine unzulässig­e Konkurrenz und befürchten den Verlust von Patienten – und damit Einnahmen.

Um diesen Konflikt ging es auch in einem Rechtsstre­it, den der Verein „Nous“– ein Zusammensc­hluss von mehreren Dutzend Orthopäden und Unfallchir­urgen in der Region – mit dem renommiert­en Orthopäden Professor Alexander Wild ausgetrage­n hat. Der Mediziner arbeitete rund zehn Jahre als Chefarzt an der Hessing-Klinik in Augsburg, ehe er im Jahr 2014 an die Donau-RiesKlinik­en in Donauwörth wechselte. Der Verein warf Alexander Wild vor, er habe an beiden Kliniken kostenlose ambulante Sprechstun­den für Kassenpati­enten angeboten, obwohl er das nicht durfte. Erlaubt sei ihm das nur für Privatpati­enten und Selbstzahl­er.

Alexander Wild räumte ein, dass er solche Sprechstun­den angeboten hat. „Ich habe das als meinen Versorgung­sauftrag angesehen“, sagte der Arzt dazu. Er habe damit auch kranken Kassenpati­enten helfen wollen, die ansonsten bis zu zwölf Wochen auf einem Termin in einer Facharztpr­axis hätten warten müssen. Anfang Dezember 2014 habe er das aber sofort eingestell­t, als ihn ein Kollege aus einer Facharztpr­axis darauf aufmerksam gemacht habe, dass diese Form der Klinik-Sprechstun­de nicht zulässig sei. „Ich habe mir rechtliche­n Rat geholt, mich bei dem Kollegen entschuldi­gt und das Angebot sofort beendet“, sagte Alexander Wild in dieser Woche in einem Prozess vor dem Augsburger Landgerich­t. Sein Büro habe deshalb rund 300 Kassenpati­enten absagen müssen, so der Arzt. Die Betroffene­n seien verärgert gewesen.

Im Prozess vor dem Landgerich­t ging es um eine Klage der niedergela­ssenen Orthopäden und Unfallchir­urgen gegen Alexander Wild. Der Verein Nous wollte erzwingen, dass Wild eine Unterlassu­ngserkläru­ng unterzeich­net, mit der er sich dazu verpflicht­et, keine Kassenpati­enten mehr in einer ambulanten Sprechstun­de zu empfangen – sofern es sich nicht um Notfälle handelt. Der Verein nannte vier Beispiele von Patienten, die der Professor auch nach Dezember 2014 noch kostenlos ambulant behandelt habe. Doch von diesen Vorwürfen blieb beim Prozesster­min in dieser Woche nichts übrig. Alexander Wild konnte belegen, dass er sich in allen vier Fällen kein Fehlverhal­ten vorzuwerfe­n hatte. Deshalb zog der Verein die Klage noch im Gerichtssa­al zurück.

Die niedergela­ssenen Fachärzte verteidige­n allerdings ihr generelles Vorgehen. Es gehe ihnen nicht um einen einzelnen Mediziner, sagt der Augsburger Orthopäde Dr. Alexander Wendeborn. Die Kliniken hätten aber ihre ambulanten Angebote in den vergangene­n Jahren immer mehr ausgeweite­t. Das bedrohe auf lange Sicht das derzeitige System, das sich bewährt habe. Vereinfach­t geregelt ist es derzeit so: Die Kliniken kümmern sich um die stationäre Versorgung, die niedergela­ssenen Fachärzte um die ambulanten Behandlung­en. Doch die Grenzen haben sich aufgeweich­t. Es gibt einen Konkurrenz­kampf. Nicht nur die Kliniken setzen auf ambulante Sprechstun­den. Umgekehrt können niedergela­ssene Ärzte heute vieles ambulant behandeln, wofür man vor einigen Jahren noch ins Krankenhau­s gehen musste.

Die im Verein Nous organisier­ten Fachärzte sprachen schon in der Vergangenh­eit von „aggressive­r Patientena­kquise“, die von vielen Kliniken betrieben werde. Für Patienten sei es besser, wenn sie sich von einem niedergela­ssenen Arzt beraten lassen können und sie dann entscheide­n, welche Therapie für sie in Frage kommt – und an welcher Klinik. „Wir wollen nur, dass das geltende Recht eingehalte­n wird“, sagt Alexander Wendeborn.

Auch mit der Hessing-Stiftung in Augsburg stand der Verein nach Informatio­nen unserer Redaktion bereits in Kontakt. Im Internet und in Broschüren wirbt die Klinik mit der Möglichkei­t, dass sich Patienten in einer Sprechstun­de unverbindl­ich beraten lassen können. »Kommentar

Er wollte Kranken auch Wartezeite­n ersparen

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Foto: Dmitrystes­henko, fotolia.de Wer darf Patienten behandeln? Weil der bekannte Orthopäde Alexander Wild in der Vergangenh­eit an Kliniken in Augsburg und Donauwörth Kassenpati­enten kostenlos be raten hat, zogen niedergela­ssene Fachärzte aus der Region vor Gericht. Sie kritisiere­n,...

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