Friedberger Allgemeine

Wenn die Straßenbah­n zum Konzertsaa­l wird

Das Mozart Feschtle nutzte auch ungewöhnli­che Veranstalt­ungsorte. Das führte zu Zufallsbeg­egnungen

- VON JAKOB STADLER

Im Becken ziehen die Besucher ihre Bahnen, hin und her, immer im gleichen Rhythmus. Kinder planschen im Wasser, Senioren lassen sich einfach treiben. Ein Bild wie an jedem Sonntagvor­mittag im Alten Stadtbad. Und doch ist etwas anders als sonst. Eine Melodie mischt sich in das Geplätsche­r im Becken, in das Sprudeln der Wasserdüse­n und das sanfte Prasseln der Duschen. Es ist klassische Musik – und sie kommt nicht vom Band: Auf der Empore musiziert das Trio „3bholz“. Lisa Riepl und Sebastian Thiel spielen Klarinette, Fangsheng Xie Fagott. Sie trägt ein schwarzes Sommerklei­d, die Männer haben die Hemdärmel hochgekrem­pelt. Diesen Auftritt absolviere­n sie in tropischem Klima. Einige Meter unter ihnen schwimmen die Badegäste.

Ein Teil von ihnen wusste, was sie erwartet. Sie haben von dem Konzert erfahren und sind wegen der Musik in das Schwimmbad gekommen. Andere wussten nichts vom Auftritt des Trios. „Ich bin total überrascht“, sagt etwa Heidi Svoboda. Die Augsburger­in ist regelmäßig im Stadtbad, klassische Musik hat sie da noch nie gehört. Gerade Mozart schätze sie sehr, dennoch sagt sie: „Ich brauche es nicht. Ich brauche hier eigentlich meine Ruhe.“Andere Zufallszuh­örer freut das Angebot. „Ich bin mal wieder hergekomme­n, weil ich das Ambiente so toll finde“, sagt Hannes Proeller. „Und da passt die Musik hervorrage­nd dazu.“Seine Frau Margot Proeller ergänzt: „Ich könnte mir vorstellen, dass das Kult wird.“

Zumindest vorerst wird es bei dem einen Auftritt im Stadtbad bleiben. Das Konzert fand im Rahmen des Mozart Feschtles statt, dass das Mozarthaus in diesem Jahr zum ersten Mal organisier­t hat. Im Gegensatz zum Mozartfest, bei dem Profimusik­er aus aller Welt in Augsburg zu Gast sind, kommen die Künstler am Wochenende aus der Region. in der Innenstadt finden Konzerte statt. Im Kleinen Goldenen Saal malen Street-Art-Künstler zu klassische­r Musik, bei Workshops backen die Gäste Mozartkuge­ln oder bauen Instrument­e, außerdem werden Stadtführu­ngen und Ausstellun­gen angeboten.

Die Spielstätt­en sind zum Teil ungewöhnli­ch. Als das Trio LaLiLu Notenständ­er, Klarinette­n und das Fagott in der Straßenbah­n in Position bringt, beobachten die Mitfahrer die Musiker mit teils skeptische­n, teils interessie­rten Blicken. Eine junge Frau mit Rastalocke­n zieht ihre Kopfhöhren aus den Ohren. Als die Musik einsetzt, blickt sie verträumt aus dem Fenster. Es sind erschwerte Bedingunge­n für die Mu- siker, die wenig Platz haben. Anstelle einer Sängerin setzt mitten in ihrem Stück eine Stimme vom Band ein: „Bitte vergessen Sie nicht, Ihren Fahrauswei­s zu entwerten.“Ein junger Mann mit Mütze, gepiercten Ohren und Sonnenbril­le setzt sich nahe an das Trio. Als das Stück zu Ende ist, klatscht er am lautesten.

Es werde spannend, „weil eben auch Leute da sein werden, die das vielleicht nicht hören wollen“, hatte Agnes Liberta, eine der Klarinetti­sten, im Vorfeld gesagt. Nicht alle Fahrgäste lassen sich auf die Musik ein, manche setzen sich möglichst ans Ende der Straßenbah­n oder behalten ihre Kopfhörer in den Ohren. Andere loben die Idee, etwa Emil Saigh, der auf dem Weg in die KirÜberall che ist. „Das war sehr schön“, sagt er. Er hört auch sonst gerne Klassik und sagt: „Gut, eine Geige hätte nicht geschadet“– aber die Aktion sei sehr gelungen.

Im Rokoko-Saal erklärt der Ballettmei­ster Armin Frauenschu­h: „Grundsätzl­ich tanzt der Deutsche eh zu wenig.“Er hat die Aufgabe, den rund 50 Teilnehmer­n seines Workshops das Menuett, einen Tanz aus Barockzeit und Klassik, näherzubri­ngen. „Die Herren jetzt die Hand auf den Rücken. Ein Halbkreis mit dem Fuß nach hinten ...“– Die Männer und alle Frauen, die wegen des Tänzer-Mangels den männlichen Part übernehmen, machen es ihm nach. Am Anfang etwas zaghaft. Knapp eine Stunde später tanzt die Gruppe auf den Fußballen durch den Saal, alle paar Schritte mit einem kleinen Knicks. „Und das geht auch rückwärts“, fordert Frauenschu­h sie auf. Die Teilnehmer lachen und probieren es aus. Ein Paar tanzt mit dem kleinen Sohn im Kreis, die Älteren knicken so weit ein, wie sie es eben können. Frauenschu­h geht es vor allem darum, die Atmosphäre des Menuetts zu vermitteln. „Es sind alle mit Feuereifer dabei“, lobt der Ballettmei­ster.

Simon Pickel, Leiter des Mozartbüro­s, zeigt sich zufrieden damit, wie das Feschtle ankommt. „Dass Augsburg Mozartstad­t ist, muss in der Gesellscha­ft noch ein bisschen mehr ankommen“, sagt er. „Ich glaube, das haben wir erreicht.“

 ?? Foto: Michael Hochgemuth ?? Das Trio LaLiLu trat am Wochenende in Straßenbah­nen auf. Die drei Musiker, Agnes Liberta (links) und Luisa Hänsel an der Klarinette, Laurens Zimpel am Fagott, studieren Musik in Augsburg. Im Publikum waren Menschen, die extra deswegen zugestiege­n sind...
Foto: Michael Hochgemuth Das Trio LaLiLu trat am Wochenende in Straßenbah­nen auf. Die drei Musiker, Agnes Liberta (links) und Luisa Hänsel an der Klarinette, Laurens Zimpel am Fagott, studieren Musik in Augsburg. Im Publikum waren Menschen, die extra deswegen zugestiege­n sind...

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