Friedberger Allgemeine

Arme Stadt, reiches Land

Wer in Augsburg arbeitet, verdient im bayernweit­en Vergleich durchschni­ttlich. Trotzdem bleibt den Bürgern am Ende weniger Geld zum Leben übrig. Woher kommt das?

- VON ANDREA WENZEL

Augsburgs Arbeitnehm­er verdienen nicht besonders gut, aber auch nicht allzu schlecht: Verglichen mit knapp hundert Städten und Landkreise­n in ganz Bayern liegt die Stadt im Mittelfeld: 2856 Euro brutto bekommt ein Arbeitnehm­er pro Monat durchschni­ttlich ausgezahlt – Teilzeitkr­äfte mit eingerechn­et.

Damit liegt Augsburg über dem Bundesdurc­hschnitt (2635 Euro). Die Bruttolöhn­e in der Stadt sind außerdem höher als die, die Firmen durchschni­ttlich in den beiden angrenzend­en Landkreise­n Augsburg (2495 Euro) und Aichach-Friedberg (2234 Euro) bezahlen.

Schlecht schneidet die Stadt dagegen beim Einkommen ab, das den Bürgern nach Abzug der Steuern zum Ausgeben übrig bleibt. Denn vergleicht man Augsburg hier mit anderen Kommunen und Landkreise­n, landet es auf dem letzten Platz. Das sogenannte „zur Verfügung stehende Einkommen“, das unter anderem aus Lohn plus Mieteinnah­men, Sozialleis­tungen oder privatem Vermögen besteht, lag nach aktuellste­n Zahlen des Arbeitskre­ises „Volkswirts­chaftliche Gesamtrech­nungen der Länder“(vgrdl) hier bei 18424 Euro im Jahr. Im Landkreis Augsburg hatten die Menschen da- 23492 Euro zur Verfügung, im Landkreis Aichach-Friedberg 23 897 Euro. Der bayerische Durchschni­tt lag 2014 – auf dieses Jahr gehen die Statistike­n zurück – bei 23 080 Euro.

Wie kommt dieser Unterschie­d zwischen Lohngefüge und zur Verfügung stehendem Einkommen zustande? „Unsere Erhebungen sind an den Wohnort gebunden. Das bedeutet, dass jemand, der in Augsgegen burg gut verdient, womöglich im Landkreis wohnt. Sein Gehalt zählt somit zur Statistik der Stadt und das zur Verfügung stehende Einkommen wird dem Landkreis zugeordnet“, erklärt Tilmann von Rocandor vom Arbeitskre­is vgrdl. Über andere Gründe will von Rocandor nur mutmaßen. So könnte es sein, dass in Augsburg wenige Firmen sehr gute Löhne bezahlen und so den Schnitt für die Bruttolohn­statistik anheben. Bei diesen Firmen arbeite aber möglicherw­eise nur ein Bruchteil der Bevölkerun­g.

Eine Argumentat­ion, die auch Gewerkscha­fter Thomas Gürlebeck (Verdi) unterstütz­t. Er führt die vielen Beschäftig­ten im Niedrigloh­nbereich wie der Logistik ins Feld. In Augsburg gebe es außerdem einen „extrem hohen Anteil“an Leiharbeit­ern und Teilzeitkr­äften im Dienstleis­tungsgewer­be: „Wir haben einfach wenig Industrie mit gut dotierten Jobs“, bringt er es auf den Punkt.

Arbeitsamt­schef Reinhold Demel kann diese Aussage mit Zahlen belegen: „In Augsburg liegt der Anteil an Menschen mit geringfügi­ger Beschäftig­ung bei 20,1 Prozent. In Nürnberg sind es 16,7 und in München nur 15,8 Prozent“, sagt er.

Augsburgs Sozialrefe­rent Stefan Kiefer hat ein weiteres Argument: Die Stadt sei ein Produktion­sstandort. „Dieses Gefüge hat schon immer dazu geführt, dass wir niedrige Gehälter haben und natürlich auch die Renten entspreche­nd ausfallen“, so Kiefer. Dazu käme die Zusammense­tzung der Bevölkerun­g: „Wir haben in unserer Stadt eine meiner Ansicht nach sehr hohe Zahl an Menschen, die keinen ordentlich­en Schulabsch­luss haben und damit keine hoch qualifizie­rte Arbeit annehmen können.“Auch dies lässt sich durch Zahlen der Arbeitsage­ntur belegen: Der Anteil hoch qualifizie­rt ausgebilde­ter Menschen liege in Augsburg gerade einmal bei 26,5 Prozent. In München seien es 41,5 Prozent, sagt Demel.

Der Arbeitskre­is „Volkswirts­chaftliche Gesamtrech­nungen der Länder“(vgrdl) vergleicht regelmäßig die Bruttolöhn­e und -gehälter in Deutschlan­d. Spitzenrei­ter in Bayern und Zweiter im Bundesverg­leich ist nach den aktuellen Erhebungen Ingolstadt: Hier liegt das monatliche Bruttoeink­ommen bei rund 3928 Euro. Damit liegt die oberbayeri­sche Stadt, die mit Audi einen potenten Arbeitgebe­r hat, sogar noch vor München (3430 Euro). Schlusslic­ht in Bayern ist der Landkreis Freyung-Grafenau mit einem Bruttolohn je Arbeitnehm­er von rund 2069 Euro.

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