Arme Stadt, reiches Land
Wer in Augsburg arbeitet, verdient im bayernweiten Vergleich durchschnittlich. Trotzdem bleibt den Bürgern am Ende weniger Geld zum Leben übrig. Woher kommt das?
Augsburgs Arbeitnehmer verdienen nicht besonders gut, aber auch nicht allzu schlecht: Verglichen mit knapp hundert Städten und Landkreisen in ganz Bayern liegt die Stadt im Mittelfeld: 2856 Euro brutto bekommt ein Arbeitnehmer pro Monat durchschnittlich ausgezahlt – Teilzeitkräfte mit eingerechnet.
Damit liegt Augsburg über dem Bundesdurchschnitt (2635 Euro). Die Bruttolöhne in der Stadt sind außerdem höher als die, die Firmen durchschnittlich in den beiden angrenzenden Landkreisen Augsburg (2495 Euro) und Aichach-Friedberg (2234 Euro) bezahlen.
Schlecht schneidet die Stadt dagegen beim Einkommen ab, das den Bürgern nach Abzug der Steuern zum Ausgeben übrig bleibt. Denn vergleicht man Augsburg hier mit anderen Kommunen und Landkreisen, landet es auf dem letzten Platz. Das sogenannte „zur Verfügung stehende Einkommen“, das unter anderem aus Lohn plus Mieteinnahmen, Sozialleistungen oder privatem Vermögen besteht, lag nach aktuellsten Zahlen des Arbeitskreises „Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder“(vgrdl) hier bei 18424 Euro im Jahr. Im Landkreis Augsburg hatten die Menschen da- 23492 Euro zur Verfügung, im Landkreis Aichach-Friedberg 23 897 Euro. Der bayerische Durchschnitt lag 2014 – auf dieses Jahr gehen die Statistiken zurück – bei 23 080 Euro.
Wie kommt dieser Unterschied zwischen Lohngefüge und zur Verfügung stehendem Einkommen zustande? „Unsere Erhebungen sind an den Wohnort gebunden. Das bedeutet, dass jemand, der in Augsgegen burg gut verdient, womöglich im Landkreis wohnt. Sein Gehalt zählt somit zur Statistik der Stadt und das zur Verfügung stehende Einkommen wird dem Landkreis zugeordnet“, erklärt Tilmann von Rocandor vom Arbeitskreis vgrdl. Über andere Gründe will von Rocandor nur mutmaßen. So könnte es sein, dass in Augsburg wenige Firmen sehr gute Löhne bezahlen und so den Schnitt für die Bruttolohnstatistik anheben. Bei diesen Firmen arbeite aber möglicherweise nur ein Bruchteil der Bevölkerung.
Eine Argumentation, die auch Gewerkschafter Thomas Gürlebeck (Verdi) unterstützt. Er führt die vielen Beschäftigten im Niedriglohnbereich wie der Logistik ins Feld. In Augsburg gebe es außerdem einen „extrem hohen Anteil“an Leiharbeitern und Teilzeitkräften im Dienstleistungsgewerbe: „Wir haben einfach wenig Industrie mit gut dotierten Jobs“, bringt er es auf den Punkt.
Arbeitsamtschef Reinhold Demel kann diese Aussage mit Zahlen belegen: „In Augsburg liegt der Anteil an Menschen mit geringfügiger Beschäftigung bei 20,1 Prozent. In Nürnberg sind es 16,7 und in München nur 15,8 Prozent“, sagt er.
Augsburgs Sozialreferent Stefan Kiefer hat ein weiteres Argument: Die Stadt sei ein Produktionsstandort. „Dieses Gefüge hat schon immer dazu geführt, dass wir niedrige Gehälter haben und natürlich auch die Renten entsprechend ausfallen“, so Kiefer. Dazu käme die Zusammensetzung der Bevölkerung: „Wir haben in unserer Stadt eine meiner Ansicht nach sehr hohe Zahl an Menschen, die keinen ordentlichen Schulabschluss haben und damit keine hoch qualifizierte Arbeit annehmen können.“Auch dies lässt sich durch Zahlen der Arbeitsagentur belegen: Der Anteil hoch qualifiziert ausgebildeter Menschen liege in Augsburg gerade einmal bei 26,5 Prozent. In München seien es 41,5 Prozent, sagt Demel.
Der Arbeitskreis „Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder“(vgrdl) vergleicht regelmäßig die Bruttolöhne und -gehälter in Deutschland. Spitzenreiter in Bayern und Zweiter im Bundesvergleich ist nach den aktuellen Erhebungen Ingolstadt: Hier liegt das monatliche Bruttoeinkommen bei rund 3928 Euro. Damit liegt die oberbayerische Stadt, die mit Audi einen potenten Arbeitgeber hat, sogar noch vor München (3430 Euro). Schlusslicht in Bayern ist der Landkreis Freyung-Grafenau mit einem Bruttolohn je Arbeitnehmer von rund 2069 Euro.