Wenn für Flüchtlinge der Traum vom neuen Leben platzt
251 abgelehnte Asylbewerber leben im Landkreis. Viele wehren sich vor Gericht gegen eine Rückkehr in ihre Heimat. Wie es dann weitergeht und warum viele Abschiebungen scheitern
Aichach Friedberg In seiner Heimat herrscht ein grausamer Bürgerkrieg. Die Gefahr, von Milizen rekrutiert zu werden, wurde immer größer. Irgendwann drängte die Mutter ihren Sohn aus Angst um sein Leben zur Flucht. 2012 verließ er den afrikanischen Staat Mali. Das Ziel: Europa. Es sollte eine jahrelange Reise werden – über Libyen, Algerien, schließlich in die Türkei und im Jahr 2015 nach Deutschland. Er schlug sich mit Gelegenheitsjobs durch. Immer, wenn er wieder ein wenig Geld hatte, fuhr er weiter. Irgendwann landete der junge Mann in einer Gemeinde im Landkreis Aichach-Friedberg.
Nun kämpft er vor dem Verwaltungsgericht in Augsburg darum, als Flüchtling anerkannt zu werden und bleiben zu dürfen. Sein Fall wurde am Montag verhandelt. Wie das Gericht entschied, teilte es auf Anfrage unserer Zeitung noch nicht mit. Erst muss der Mann selbst informiert werden.
Betroffene suchen häufig den Weg vor Gericht. Allein im Wittelsbacher Land leben dem Ausländeramt zufolge 251 abgelehnte Asylbewerber. Für 115 von ihnen ist aus rechtlichen Gründen die Zentrale Ausländerbehörde Augsburg zu- ständig, für die anderen 136 das Landratsamt Aichach-Friedberg. 104 von ihnen haben gegen ihre Ablehnung geklagt. Verfahren dieser Art landen vor dem Verwaltungsgericht Augsburg. Bei 75 abgelehnten Asylbewerbern aus dem Landkreis steht die Entscheidung über ihre Klage noch aus.
Andere sind schon einen Schritt weiter. Derzeit leben 54 Menschen im Landkreis, deren Antrag auf Asyl rechtskräftig abgelehnt wurde, die aber dennoch nicht abgeschoben werden können, weil sie keinen Pass haben. Fehlende Papiere, die für die Heimreise nötig wären, sind nach Angaben des Ausländeramts der häufigste Grund, warum bei abgelehnten Asylbewerbern im Landkreis keine Abschiebung möglich ist. Entweder weigern sich die Betroffenen, sich um die nötigen Unterlagen zu kümmern, oder ihre Botschaft reagiert nicht, beziehungsweise nur schleppend.
Nicht immer haben fehlende Papiere etwas mit Unwillen oder Behördenversagen zu tun, sondern es gibt tragische Gründe dafür. Zum Beispiel dann, wenn Länder vom Krieg verwüstet sind und über keine funktionierende Verwaltung mehr verfügen. Scheitert es an den Betroffenen selbst, machen die deutschen Behörden Druck. Wenn der Ablehnungsbescheid da ist, gibt es ein Gespräch im Landratsamt. Dabei geht es um die Rückkehr und die Unterschiede zwischen freiwilliger Ausreise und Abschiebung. Die Betroffenen werden aufgefordert, sich einen Pass zu besorgen. Tun sie das nicht, können ihnen Gelder gekürzt werden. Im Wittelsbacher Land griff das Landratsamt bislang 15 Mal zu diesem Mittel. Falls sich die Betroffenen weiterhin weigern, zu ihrer Botschaft zu gehen, könnten sie von der Polizei dorthin gebracht werden.
Das letzte Mittel ist eine Anzeige. Solche Verfahren landen dann vor dem Amtsgericht in Aichach. So wie im November das eines 23-jährigen Senegalesen, der in einer Asylunterkunft im Raum Aichach lebte. Er war nach eigenen Angaben vier Jahre zuvor nach Deutschland geflohen, weil Soldaten in seiner Heimat ihn für den Krieg rekrutieren wollten. 2013 wurde sein Asylantrag abgelehnt. Er reiste weder aus, noch kümmerte er sich um Ausweispapiere, noch verlängerte er monatlich seine Duldungen. Das Jugendschöffengericht verurteilte ihn zu einer einjährigen Jugendstrafe. Der Richter forderte ihn auf, sich um einen Pass zu kümmern, und stellte ihm eine kürzere Haftzeit in Aussicht.
Mancher Asylbewerber lässt es gar nicht so weit kommen. Seit Januar 2016 tauchten nach Angaben des Ausländeramts fünf abgelehnte Asylbewerber aus dem Wittelsbacher Land kurz vor ihrer drohenden Abschiebung unter. „Deutlich mehr“suchten dem Amt zufolge, das an dieser Stelle keine konkreten Zahlen nennt, vorher das Weite, als das Asylverfahren noch lief.
Insgesamt 519 Asylbewerber im Landkreis haben einen Asylantrag beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) gestellt, über den aktuell noch nicht entschieden ist. Sie leben in Asylunterkünften. Ebenso wie 490 Menschen, die bereits als Asylbewerber anerkannt wurden und eigentlich ausziehen sollten. Viele von ihnen finden jedoch keine Wohnung, weshalb sie als sogenannte „Fehlbeleger“weiter in den Asylunterkünften bleiben.
Auch bei 300 weiteren Personen, die derzeit im Wittelsbacher Land leben, ist das Asylverfahren laut Ausländeramt bereits abgeschlossen. Sie haben eine eigene Wohnung gefunden und sind entweder anerkannte Flüchtlinge, dürfen aufgrund eines drohenden Schadens in ihrer Heimat hier bleiben, obwohl sie weder als Asylberechtigte noch als Flüchtlinge gelten, oder dürfen aus anderen Gründen nicht abgeschoben werden.