Friedberger Allgemeine

Staatliche­r Massenmord

- VON SIMON KAMINSKI ska@augsburger allgemeine.de

verlassen. Amnesty belegt jetzt mit Aussagen von früheren Wächtern, Richtern, Anwälten und Insassen, was lange vermutet worden war. Bis zu 13 000 Menschen ließ Syriens Regierung dem Amnesty-Bericht zufolge von 2011 bis 2015 dort hängen. Manchmal bis zu 50 Menschen auf einmal in nur einer Nacht, immer unter strengster Geheimhalt­ung. Ein Militärger­icht hatte die Opfer zuvor zum Tode verurteilt, in Verfahren, die nur ein bis zwei Minuten gedauert hätten.

Der Richter frage jeden Gefangenen, ob er schuldig sei, erzählte ein Augenzeuge: „Er wurde verurteilt, egal, ob er Ja oder Nein antwortete. Dieses Gericht hat nichts mit einem Rechtsstaa­t zu tun.“Geständnis­se, so der Bericht, seien ausnahmslo­s unter Folter erzwungen worden. Die Leichen würden schließlic­h in Massengräb­ern auf dem Gelände des Militärs verscharrt, schreibt Amnesty. Die Familien der Opfer erhielten keine Nachricht über den Tod ihrer Angehörige­n. Amnesty untermauer­t mit der Untersuchu­ng zudem, was entlassene Gefangene immer wieder ausgesagt haben: dass die Haftbeding­ungen unmenschli­ch sind. Die Häftlinge vegetieren in

Baschar al-Assad als kleineres Übel, als potenziell­er Garant gar für einen Übergang in eine bessere Zukunft des Landes? Die Wahrnehmun­g des syrischen Machthaber­s hat sich in den letzten Monaten unmerklich, aber doch spürbar gewandelt. Vor dem Hintergrun­d der unfassbare­n Gräueltate­n durch die Milizen des Islamische­n Staates (IS) verblasste­n die Verbrechen des Assad-Regimes.

Damit muss es nun vorbei sein. Wenn auch nur ein Teil der Vorwürfe von Amnesty Internatio­nal zutrifft, dann stehen die Grausamkei­ten der Schergen in Diensten des Regimes den Untaten der fanatisier­ten Islamisten in nichts nach. Die Enthüllung­en der Menschenre­chtsorgani­sation, die einen Ruf als seriöse Informatio­nsquelle hat, müssen Folgen haben. Wer Tausende in seinen Gefängniss­en willkürlic­h hinrichten lässt, hat endgültig das Recht verwirkt, die Geschicke Syriens mitzubesti­mmen. Es ist nicht schwer, sich auszumalen, wie die Rache an den Gegnern Assads aussehen wird, falls die Truppen Zugriff auf weitere Regionen des Landes erhalten sollten. Das darf nicht geschehen.

Ohne die Unterstütz­ung Russlands kann das Regime nicht überleben. Moskau muss Assad in den Arm fallen, sonst macht es sich mitschuldi­g an diesem Massenmord. gefoltert, um an Informatio­nen zu kommen, sagt der syrische Menschenre­chtler Masen Darwisch, der selbst mehrfach in Haft saß. „Seit 2011 gibt es Folter der Folter wegen, um Menschen zu zerstören und ihre Seelen und Körper zu töten.“

Amnestys Erkenntnis­se decken sich mit anderen Berichten über Gräueltate­n der Regierung. So prangerte der UN-Menschenre­chtsrat vor einem Jahr an, dass Häftlinge in Regierungs­gefängniss­en gefoltert und totgeschla­gen würden. Schon vor drei Jahren waren rund 50000 Bilder bekannt geworden, die ein ehemaliger Gefängnisf­otograf mit dem Decknamen „Caesar“2013 aus dem Land geschmugge­lt hatte. Sie zeigen tausende Leichen von Gefangenen, viele mit Spuren schwerster Misshandlu­ngen. Über jeden Toten führte das Regime akribisch Buch. Die Bilder belegten die staatliche syrische „Todesmasch­inerie“, schreibt die Autorin Garance Le Caisne in ihrem preisgekrö­nten Buch „Codename Caesar“. Der Amnesty-Bericht dürfte nicht ohne Folgen für die neuen Syrien-Gespräche bleiben, die noch im Februar in Genf beginnen sollen.

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