Die Bücherkisten quellen über
Literatur In zehn Geschäften in Friedberg wird Lesefreunden frei verfügbare Lektüre angeboten. Die Idee von Wolfram Grzabka funktioniert. Warum sein Projekt dennoch kein Selbstläufer ist
Friedberg Ende vergangenen Jahres stifteten Gabriela Palm und Wolfram Grzabka zehn Bücherkisten mit jeweils zehn Bänden, welche an Standorten mit hohem Publikumsverkehr, zum Beispiel Cafés, Gaststätte und Praxen, aufgestellt wurden (wir berichteten). Bereits der Bücherschrank vor der Kirche St. Jakob hatte sich bei lesefreudigen Passanten großer Beliebtheit erfreut. Doch das Prinzip des Projekts „Tauschen! Leihen! Lesen!“funktioniert laut Grzabka ebenso gut bei den kleinen Kisten.
Zahlreiche Bücherspenden von großzügigen Kunden seien der Grund dafür, dass an vielen Orten mittlerweile in den Holzkästen kein Platz mehr für weitere Bücher ist. Dies sei auch der Grund, warum die überschüssigen Exemplare auf oder neben den Behältern gestapelt werden. „Von fast allen Inhabern erreichten mich Anfragen, ob ich keine zweite Bücherkiste aufstellen könnte“, erzählt der Initiator. Ein zusätzlicher Kasten für solche Geschäfte sei in Planung.
Die „enorm hohe Fluktuation“sorge für Abwechslung. Alle zwei bis drei Wochen kontrolliere Grzabka zusammen mit seiner Frau den Inhalt. Hierbei ist ihnen bisher vor allem die Qualität der abgegebenen Bücher positiv aufgefallen. „Wir sind oft überrascht von kaum gelesenen und neuwertigen Büchern mit hochwertigen Einbänden“, sagt Grzabka. Für ihn als Initiator der Aktion sei es besonders wichtig, regelmäßig in Kooperation mit den Ladenbesitzern den Inhalt der Kästen zu prüfen, da dort hin und wieder auch Werbeprospekte und stark beschädigte Bücher landen.
Darum plant Grzabka derzeit auch keine neuen Standorte. „Lieber sind mir zehn Stellplätze, bei denen ich weiß, dass der Geschäftsinhaber motiviert ist.“Ab einer bestimmten Anzahl an Bücherkisten werde das Projekt zu unübersichtlich. „Dann könnten wir das Ganze nicht mehr so schön betreuen“, erklärt der Initiator. Außerdem sei er bereits froh über den „Mix aus verschiedensten Unternehmen“, die sich an seinem Vorhaben beteiligen. Zu ihnen zählt auch das Altstadtcafé Weißgerber. Der Inhaber ist begeistert vom Erfolg der Idee von Grzabka und Palm. „Ich sehe oft, dass ein Wechsel stattfindet“, so Willi Weißgerber. Der Kasten in seinem Café sei mittlerweile zu klein für die zahlreichen Exemplare. Auch Martin Trinkl, Mitarbeiter im Gasthof Zur Linde, sagt, dass die Anzahl der Bücher im dortigen Kasten in den letzten Wochen stark zugenommen hat. Zahlreiche Werke stapeln sich hier schon auf dem grauen Holzkasten.
Manuel Weindl vom PatchworkHaus für Handarbeit bemerkt ebenfalls einen „funktionierenden Austausch“in der Bücherkiste bei ihm im Laden. „Da ist ständig Bewegung drin, weil viele Kunden darin stöbern“, schildert er.
Ingrid Hergen hingegen hat genug Zeit, um in der Bücherkiste am Sparkassenplatz zu stöbern. Sie kommt einmal in der Woche hierher zum Arzt. Die Wartezeit nutze sie gerne zum Lesen der hier abgelegten Romane. „Jede Woche werden es mehr Bücher“, stellt sie verwundert fest. „Eine zweite Kiste muss wohl bald her.“Auch beim Einkaufen in der Edeka Filiale Wollny sei ihr die volle Bücherkiste bereits aufgefallen. Als leidenschaftliche Leserin gefalle ihr das Prinzip des öffentlichen Austauschs von Büchern sehr gut. „Bald bringe ich auch ein paar Romane von zuhause mit“, sagt Hergen.
Diese sollte sie jedoch lieber in die Kiste beim Notariat Deutrich und Dr. Ihrig in der Ludwigstraße stellen. Dort ist nämlich der Behälter derzeit nur halb voll. Dabei sei der Kasten auch hier zu Beginn gut gefüllt gewesen, berichtet Thomas Ihrig. „Offenbar nehmen sich hier viele Leute eine Lektüre mit“, meint er.
Manchmal fülle auch er die Kiste im Wartebereich auf. „Im Schrank vor der Kirche ist ja kaum noch Platz.“Dort habe er sich selber schon oft Bücher ausgeliehen. „Vieabgegebenen le wollen gerne lesen, haben aber daheim keinen Platz für mehr Bücher“, so Ihrig. „Durch die Kisten findet ein Kreislauf statt, wodurch man seine gelesenen Bücher nicht wegschmeißen oder auf dem Flohmarkt verkaufen muss, sondern an andere Leser weitergeben kann.“
Der schwarze Schrank vor der Kirche St. Jakob beinhaltet eine große Auswahl literarischen Werken, die auch die Passantin Brigitte Marbach fasziniert. Sie habe auch schon viele ihrer eigenen Bücher hier abgegeben. „Dabei war ich am Anfang noch sehr skeptisch“, sagt sie. Inzwischen nutze sie jedoch regelmäßig das Angebot, dessen Qualität sie begeistert. „Man findet immer schöne und vor allem saubere Bücher und auch gute Titel“, meint Marbach. Ihre heutige Wahl fällt auf den Krimi „Auf Leben und Tod“von Michael Robotham.