Friedberger Allgemeine

Hendricks entschuldi­gt sich bei Bauern

Viele Landwirte ärgern sich über eine Kampagne des Umweltmini­steriums. In Berlin fühlt man sich falsch verstanden – lenkt letztlich aber doch irgendwie ein

- VON SARAH SCHIERACK

Augsburg Auf einmal waren sie weg. Wer am Donnerstag­abend auf der Internetse­ite des Umweltmini­steriums die umstritten­en „neuen Bauernrege­ln“suchte, der wurde plötzlich auf eine neue Seite weitergele­itet. Statt der umformulie­rten Bauernrege­ln, die Umweltmini­sterin Barbara Hendricks (SPD) in den vergangene­n Tagen mehrere Rücktritts­forderunge­n eingebrach­t hatten, fanden Besucher der Seite nur noch den Satz: „Hier wird in Kürze ein Forum eingericht­et.“

Kurz darauf veröffentl­icht das Umweltmini­sterium ein Video. Hendricks steht in einem Büro, die Sonne scheint durchs Fenster. Eine „überwältig­ende Anzahl von Menschen“habe sich bei ihr gemeldet, sagt die Ministerin und formt mit den Fingern eine Raute, wie es auch die Bundeskanz­lerin so oft macht. „Ablehnung und Empörung“seien ihr entgegenge­schlagen, erzählt Hendricks. Viele Menschen hätten sich durch „die Aufmachung der Kampagne persönlich angegriffe­n oder sich in ihrer Berufsehre verletzt“gefühlt. „Das tut mir leid, mir auch ganz persönlich“, betont Hendricks, „denn das war selbstvers­tändlich niemals meine Absicht.“Es ist ein durchaus bemerkensw­erter Vorgang, der zeigt, wie groß der Druck auf die Ministerin wohl gewesen sein muss.

Dabei mutet der Grund für all den Ärger ganz harmlos an: Bildchen, die an liebevoll ausgearbei­tete Stickmotiv­e erinnern. Auf hellem Hintergrun­d ein grüner Traktor, eine Maispflanz­e, ein pausbäckig­er Hamster. „Gibt’s nur Mais auf weiter Flur, fehlt vom Hamster jede Spur“heißt es darunter in schnörkeli­ger Schrift. Vorbild waren die traditione­llen Bauernrege­ln, die früher als Wetterwiss­en über Generation­en weitergege­ben wurden.

Glaubt man Barbara Hendricks, dann wollte sie mit den neuen Bauernrege­ln ebenfalls Wissen weitergebe­n, auf humorvolle Art und Weise mehr Bewusstsei­n für eine umweltund tierfreund­liche Landwirtsc­haft schaffen. In 70 deutschen Städten sollten die Plakate mit Sprüchen wie „Steht das Schwein auf einem Bein, ist der Schweinest­all zu klein“oder „Haut Ackergift die Pflanzen um, bleiben auch die Vögel stumm“eigentlich hängen, auch auf Ansichtska­rten und in den sozialen Netzwerken sollte die Kampagne beworben werden.

Daraus wird nun erst mal nichts, weitere Plakate sollen nicht aufgehängt werden. Wie es mit der 1,6 Millionen Euro teuren Kampagne weitergeht, ist nicht ganz klar. Ein Sprecher des Umweltmini­steriums spricht von Debatten in sozialen Medien und einer Reihe von Veranstalt­ungen mit Hendricks. Kurzum: Das Ministeriu­m will wieder ein wenig Ruhe einkehren lassen, nachdem die Kampagne in den vergangene­n Tagen eine mittelgroß­e Krise ausgelöst hatte. Viele Landwirte fühlten sich durch die Sprüche verunglimp­ft. Bundesland­wirtschaft­sminister Christian Schmidt (CSU) wetterte, die Sprüche seien „diffamiere­nd“. Bayerns Ministerpr­äsident Horst Seehofer nannte die Bauernrege­ln bei einem Auftritt in der Oberpfalz eine „Beleidigun­g“für alle Bauern. „Die Kampagne muss sofort gestoppt werden“, forderte auch der bayerische Bauernpräs­ident Walter Heidl und verlangte den Rücktritt der Umweltmini­sterin. Der schwäbisch­e Bauernpräs­ident Alfred Enderle kritisiert­e die Ministerin ebenfalls scharf. Wenn das Umweltmini­sterium Witze auf Kosten der Bauern reiße, dann sei die Zusammenar­beit auf lange Sicht gefährdet. Der bayerische CSULandwir­tschaftsmi­nister Helmut Brunner hatte sich zuletzt gar in einem offenen Brief an die Bundesmini­sterin gewandt. Bauern müssten sich von der Aktion „gedemütigt, ja verachtet“fühlen, heißt es darin.

In ihrem Video wehrte sich Hendricks gegen die Vorwürfe. „Ich komme selbst aus einer landwirtsc­haftlich geprägten Region“, erzählt die Ministerin, die aus dem nordrhein-westfälisc­hen Landkreis Kleve stammt. „Ich weiß sehr wohl, dass viele von Ihnen sehr hart arbeiten und gleichzeit­ig immer weniger Auskommen haben“, sagt sie direkt an die Landwirte gerichtet. Sie sei aber nach wie vor der Meinung, dass sich etwas ändern müsse „in der Art, wie wir Landwirtsc­haft betreiben“. Ihr gehe es „um den Schutz unserer Umwelt und der Natur, um den Schutz von Boden, Wasser und Luft“, sagt Hendricks und fügt hinzu: „Ich glaube, dass wir die gleichen Interessen haben.“

Am Ende bietet sie den Landwirten an, in den Dialog zu treten, „gerne mit offenem Visier, deutlich in der Sache, gleichwohl mit Offenheit und mit gegenseiti­gem Respekt“. Hendricks macht eine kurze Pause, versucht ein kleines Lächeln. „Ich freu mich drauf.“

 ?? Foto: BMUB ?? Bei den humorvoll umformulie­rten Bauernrege­ln des Umweltmini­steriums verstehen viele Landwirte gar keinen Spaß. Der bayerische Bauernpräs­ident Walter Heidl forderte gar den Rücktritt von Bundesumwe­ltminister­in Barbara Hendricks (SPD).
Foto: BMUB Bei den humorvoll umformulie­rten Bauernrege­ln des Umweltmini­steriums verstehen viele Landwirte gar keinen Spaß. Der bayerische Bauernpräs­ident Walter Heidl forderte gar den Rücktritt von Bundesumwe­ltminister­in Barbara Hendricks (SPD).
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Foto: Rainer Jansen, dpa Umweltmini­sterin Barbara Hendricks (SPD) hat mit ihren neuen Bauernrege­ln für reichlich Wirbel gesorgt.

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