Die Rache des Patriarchen
Langsam wird deutlich, was Volkswagen-Urgestein Piëch meinte, als er im April 2015 wie aus heiterem Himmel sagte: „Ich bin auf Distanz zu Winterkorn.“Damals, noch vor dem Auffliegen des Abgas-Skandals, kam das einem Paukenschlag gleich. Die Beobachter rätselten, was der „Alte“gegen seinen Ziehsohn „Wiko“habe.
Beide schienen unzertrennlich. Beide wollten VW in einem Anflug übersteigerten Selbstbewusstseins zur dauerhaften Nummer eins der Welt-Automobilbranche machen.
Dass Piëch Winterkorn jetzt wieder massiv beschuldigt, erweckt den Verdacht, die beiden TechnikFreunde hätten sich schon länger auseinandergelebt. Vielleicht ahnte oder wusste der VW-Patriarch bereits im April 2015, dass „Wiko“den Laden nicht mehr im Griff hat, ja VW in Amerika mit den Abgaswerten auf die schiefe Bahn geraten ist. Wenn Piëch jetzt auch Mitglieder des Aufsichtsrats, darunter selbst Gewerkschafter und den niedersächsischen SPD-Ministerpräsidenten Weil, bezichtigt, früher über den Abgasbetrug informiert gewesen zu sein, belastet er sich aber auch selbst. Denn wie kommt Piëch sonst zu der Behauptung?
Es könnte sein, dass er – zeitiger als eingeräumt – erkannt hat, wie VW zu einem Trickser-Konzern geworden ist. Ex-Bundespräsident Heinemann griff in solchen Fällen zu einem sich immer wieder bestätigenden Spruch: „Wer mit dem Zeigefinger auf den oder die vermeintlichen Drahtzieher zeigt, sollte daran denken, dass zugleich drei andere Finger auf ihn zurückweisen.“Auf Piëch zeigen drei Finger zurück. Warum er sich durch seinen Rachefeldzug selbst in die Bredouille bringt, bleibt mysteriös. Aus der Sphinx wird man nicht schlau.