Schulz-Show oder guter Journalismus?
Polit Talks Es ist eine Kritik, die Anne Will oder Maybrit Illner gut kennen. Auch Günther Jauch oder Sabine Christiansen mussten sich den Vorwurf gefallen lassen, Politikern eine Bühne geboten und sie nicht kritisch genug befragt zu haben. Weil es um öffentlich-rechtliche Polit-Talks mit Millionenpublikum geht, stehen deren Moderatoren unter besonderer Beobachtung. Die Kritik eines FAZ-Journalisten an Anne Will, die kürzlich als einzigen Gast in ihrer ARD-Sendung den SPD-Kanzlerkandidaten Martin Schulz hatte (unser Foto), fiel jedoch ungewöhnlich heftig aus. Anne Will habe Schulz den roten Teppich ausgerollt und „vor diesem Populisten“„endgültig die Waffen“gestreckt, schrieb er.
Wie sollten die Moderatoren der Polit-Talks mit Spitzenpolitikern umgehen? Das fragte ich Sie in der vergangenen Woche in dieser Kolumne – und erhielt viele Antworten. Besten Dank! Die Meinungen gehen weit auseinander, hier einige Passagen aus Ihren E-Mails:
„Ich finde es gut, wenn jemand sich ungestört von dauernden Widerreden und Zwischenrufen darstellen kann. Wichtig ist mir dabei, dass der Interviewer zielführende – wenn nötig auch entlarvende – Fragen stellt und nachfragt. Frau Will hat das bei Herrn Schulz gut gemacht.“
„Die überaus profanen Fragestellungen von Anne Will an Martin Schulz … waren für einen öffentlich-rechtlichen Sender journalistisch unwürdig und gingen inhaltlich auch voll daneben, weil Schulz argumentativ und rhetorisch Anne Will … in allen Belangen weit überlegen war.“
„Die Schelte der FAZ ist … mehr als berechtigt. Es ist journalistische Aufgabe, höflich, aber kritisch nachzufragen, wenn man wolkige Allgemeinplätze serviert bekommt.“
„Ich finde es gut, wenn ein Kandidat für das Amt des Bundeskanzlers relativ ungestört seine Vorstellungen und Ziele vor einem Millionenpublikum darlegen kann. Frau Will ist ihm ja trotzdem das eine oder andere Mal in das Wort gefallen. Ich konnte mir ein Bild von Herrn Schulz machen.“
„Der rote Teppich von Frau Will ist vollkommen in Ordnung! Nur in so einem Zwiegespräch kann ich mich als Wähler über einen Politiker kundig machen, der regieren will.“
„Ich empfand Anne Will durchaus als kritisch … Die tatsächlich an Trump erinnernde Schulz-Show war doch ganz herzig und dadurch auch entlarvend: Die SPD versucht es nun halt auch mal auf der Emotionsschiene, auf die so viele Menschen derzeit anspringen.“
„Im Wahljahr müssten zumindest die öffentlich-rechtlichen Sender solche Einzel-,Gespräche‘ nicht zulassen.“
„Die Fernsehgebühren sind ja eine Haushalts-Zwangsabgabe. An solchen Einzelauftritten, die ja nur eine Parteien-Werbeveranstaltung sind, erkennt man, dass man diesem Medium nicht mehr vertrauen kann. Hinzu kommt, dass Frau Will ja keine kritischen Fragen stellt. Solche Veranstaltungen tragen dazu bei, wenn es heißt: Lügenpresse.“
„Man sollte diese Art der Selbstdarstellungsund Selbstüberhöhungs-Sendungen … reduzieren!“
„Ich denke, dass viele Menschen sich frustriert von diesen sog. Diskussionsrunden abwenden.“
Sie haben die Sendung nicht gesehen? Die Folge „Der Kandidat – Können Sie Kanzler, Herr Schulz?“vom 29. Januar finden Sie unter anne-will.de (unter „Sendungen“).