Friedberger Allgemeine

Luther war nicht der Erste

Schon vor dem Reformator gab es Bibeln auf Deutsch

- VON STEFANIE SCHOENE

Wer war der Verfasser der ersten deutschen Bibel? 86 Prozent der Studierend­en des Augsburger Mittelalte­rgermanist­en Freimut Löser antworten: Martin Luther. „Falsch“, sagt Löser. Richtig ist, dass Luther als Erster eine Übersetzun­g der kompletten Bibel ins Frühneuhoc­hdeutsche vorlegte. Richtig ist auch, dass sein Werk von 1534 das erste war, das eine massenhaft­e Verbreitun­g erlebte. Doch dem Volk aufs Maul geschaut hatten vor ihm schon andere. Der elitäre Zugang zu der Heiligen Schrift, die nur lesen konnte, wer Latein gelernt hatte, wurde schon früh torpediert. Allerdings beschränke­n sich die frühen Übersetzun­gen zwischen dem achten und 15. Jahrhunder­t auf das Neue Testament. Laien übersetzte­n das Lateinisch­e der Evangelien, Psalmen und des Hohen Liedes, um den Gläubigen die liturgisch­e Tagesgesta­ltung verständli­ch zu machen. Übersetzte Bibelteile fanden sich lange vor Luther in Schriften zur Messordnun­g und Predigtsam­mlungen.

Die älteste deutschspr­achige Handschrif­t des kompletten Neuen Testaments stammt aus Augsburg. Drei unbekannte Autoren fertigten sie 1350 an, fast zwei Jahrhunder­te vor Martin Luther. Sie umfasst das Neue Testament samt Apokalypse und Nikodemus-Evangelium – ein Abschnitt, der heute nicht mehr zum Neuen Testament gezählt wird. Wer der Auftraggeb­er war, ist laut Löser bis heute nicht geklärt. Die Handschrif­t gehört zu den wertvollst­en Objekten in den Beständen der Staats- und Stadtbibli­othek.

Auch im 15. Jahrhunder­t setzte Augsburg einen Höhepunkt. Nur 20 Jahre nachdem Gutenberg den ersten – lateinisch­en – Bibeldruck vorgelegt hatte, waren es die Meister der Fuggerstad­t, die die erste Heilige Schrift auf Deutsch druckten. „Darauf kann Augsburg zu Recht stolz sein“, ermuntert Löser, der im Fugger und Welser Museum auf Einladung des Jakob-Fugger-Zentrums über die deutsche Bibel im Mittelalte­r referierte. Den Ruhm hat die Stadt dem ersten Augsburger Drucker Günther Zainer zu verdanken, der die Druckerei des Klosters St. Ulrich und Afra leitete und 1475 die 300 Bibelseite­n nicht nur sprachlich redigiert, sondern erstmals auch illustrier­t druckte.

Termin Die Ausstellun­g „Augsburg macht Druck“im Diözesanmu­seum St. Afra zeigt vom 10. März bis 18. Juni neben anderen Druckerzeu­gnissen des 15. Jahrhunder­ts auch die Zainer Bibel.

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