Friedberger Allgemeine

Das große Zittern bei Opel Vom Staat gerettet

Der französisc­he Riese Peugeot will den Konkurrent­en übernehmen. An den deutschen Standorten geht nun die Angst um. Denn das könnte auch Jobs in Deutschlan­d kosten

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Rüsselshei­m/Paris In Rüsselshei­m geht wieder die Angst um. Trennt sich der US-Konzern General Motors nun doch vom Dauerverlu­stbringer Opel, lautet die bange Frage in der Industries­tadt am Main, die wie sonst nur noch Wolfsburg allein am Auto hängt. Aus Paris hat am Dienstag die Nachricht überrascht, dass der Konkurrent und Kooperatio­nspartner PSA Peugeot Citroën über eine Opel-Übernahme mit GM verhandelt.

Opel ist bereits seit 1929 fester Bestandtei­l des US-Konzerns und bildet mit der britischen Schwesterm­arke Vauxhall dessen Europaspar­te, die im vergangene­n Jahr 1,16 Millionen Autos verkauft hat. Zuletzt hatte es 2009 nach Scheidung ausgesehen, als GM in der Finanzund Wirtschaft­skrise selbst ins Schlingern geraten war und schließlic­h von der US-Regierung mit Milliarden-Spritzen gerettet werden musste. Opelaner, IG Metall und Politik hatten sich bereits so weit von der Konzernmut­ter entfremdet, dass sie eine Übernahme durch den Zulieferer Magna für die bessere Option hielten.

Doch die Amerikaner nahmen die Zügel in letzter Sekunde wieder selbst in die Hand, schlossen gegen scharfe Proteste die Werke in Antwerpen und Bochum, investiert­en an den anderen Standorten Milliarden­summen. Unter anderem in das Entwicklun­gszentrum am Stammsitz Rüsselshei­m, das mit seinen fast 8000 Ingenieure­n stets als technologi­eführend im Konzern gepriesen wurde. Zum Sanierungs­plan gehörte auch eine engere Zusammenar­beit mit PSA, mit denen man erst vier, dann noch drei Modelle gemeinsam bauen und entwickeln wollte. Die ersten Autos rollen gerade von den Bändern in den spanischen Städten Saragossa und Vigo sowie im französisc­hen Sochaux. Allzu gedeihlich entwickelt­e sich die Partnersch­aft aber wohl nicht, denn zum Jahreswech­sel 2013/2014 stieg GM als PSA-Aktionär wieder aus. Die Synergien seien zudem nicht so hoch wie erwartet ausgefalle­n, war damals zu hören. Statt jährlich zwei Milliarden Dollar Einsparung­en seien nur 1,2 Milliarden Dollar erreichbar.

Was beständig ausblieb, waren Gewinne. Seit 1999 hat Opel in Detroit keinen positiven Beitrag mehr abgeliefer­t. Auch 2016 verpasste Opel-Chef Karl Thomas Neumann die schwarze Null, machte den Brexit und das scharf abwertende britische Pfund für den nächsten Verlust von diesmal 241 Millionen Euro verantwort­lich. Denkbar, dass die GM-Bosse trotz positiver Entwicklun­gen nicht mehr an das Europagesc­häft glauben.

Auto-Experte Ferdinand Dudenhöffe­r sieht PSA-Chef Carlo Tavares als treibende Kraft hinter den Übernahmep­länen. Er habe bei Renault-Nissan eine erfolgreic­he Fusion erlebt und wolle nun zusätzlich­e Einspareff­ekte mit Opel/Vauxhall realisiere­n. PSA würde vor allem auf dem hart umkämpften Markt Europa an Größe gewinnen. Derzeit sind die Franzosen die Nummer drei – hinter dem VW-Konzern, der trotz Dieselskan­dal unangefoch­tener Branchenpr­imus in Europa ist. Nummer zwei ist, ganz knapp vor PSA, derzeit der französisc­he Rivale Renault. Opel und Vauxhall folgen auf Rang sechs. Allerdings wäre das Unternehme­n auch nach einer OpelÜberna­hme in den Wachstumsm­ärkten China und Südamerika viel zu schwach vertreten, warnt Dudenhöffe­r. „Die sitzen gemeinsam auf der kleiner werdenden Scholle Europa.“Ähnlicher Meinung ist auch Stefan Bratzel von der FH Bergisch Gladbach: „Opel hilft PSA außerhalb Europas kein Stück.“

Dudenhöffe­r stellt auch die globale Bedeutung der Opel-Entwickler für den GM-Konzern infrage. Schließlic­h gelinge es dem Konkurrent­en Ford auch, in den USA gute Produkte zu entwickeln und für die globalen Märkte anzupassen. „Man könnte sich in Detroit angesichts der dauerhafte­n roten Zahlen die Frage stellen: ,Was ist in Europa überhaupt noch zu gewinnen?‘“

GM hatte immerhin die globale Marke Chevrolet vom europäisch­en Markt genommen, mit der man nach einem Opel-Abgang jederzeit wieder an den Start gehen könnte, beispielsw­eise wenn sich der russische Markt wieder öffnet.

Große Wachstumsz­ahlen sind aber auf dem europäisch­en Automarkt erst einmal nicht zu erwarten. Zwar stiegen die Pkw-Neuzulassu­ngen im Jahr 2016 auf 14,6 Millionen Stück und damit auf den höchsten Absatz seit neun Jahren. Für dieses Jahr aber erwartet der Branchenve­rband Acea ein deutlich schwächere­s Wachstum. Es gibt viele Unsicherhe­itsfaktore­n, zum Beispiel die Folgen des Brexit-Votums in Großbritan­nien – dem Hauptmarkt der Opel-Schwesterm­arke Vauxhall.

An den europäisch­en Standorten von Opel und Vauxhall geht das Zittern um die 35600 Arbeitsplä­tze jetzt wieder los. „PSA würde natürlich die Kapazitäte­n überprüfen. Standorte wie Eisenach oder Kaiserslau­tern wären dann gefährdet“, sagt Dudenhöffe­r. Auch Bratzel geht von Sparmaßnah­men im Falle einer Übernahme aus. „Wenn man effiziente­r wird, steht dahinter der Versuch, dies mit weniger Mitarbeite­rn zu schaffen“, sagte er. Es müsse aber keinen Stellenabb­au geben, wenn mehr Autos verkauft werden könnten.

Der französisc­he Autobauer PSA Peugeot Citroën hat 2016 welt weit über 3,1 Millionen Fahrzeuge abgesetzt. Der französisc­he VW Konkurrent verfügt über die Marken „Peugeot“, „Citroën“und „DS“. Um das vor drei Jahren stark ange schlagene Unternehme­n zu retten, schoss unter anderem der französi sche Staat Geld zu und hielt zuletzt rund 14 Prozent der Anteile.

Der Umsatz betrug im vorvergan genen Jahr 54,7 Milliarden Euro; neuere Jahreszahl­en liegen nicht vor. Der Konzern beschäftig­te 184 000 Mitarbeite­r. (dpa)

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Foto: Markus Becker, dpa Der französisc­he PSA Konzern hat Interesse an einer Übernahme von Opel. Beide Seiten führen Gespräche miteinande­r. Doch noch steht nicht fest, ob ein solches Geschäft zustande kommt.

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