Friedberger Allgemeine

Die „Landshut“gammelt vor sich hin

Im „Deutschen Herbst“vor 40 Jahren spielte sich in diesem Flugzeug ein Drama ab: Die Spezialein­heit GSG 9 befreite in Mogadischu alle Geiseln. Seit 2008 steht die Maschine in Brasilien. Wer bringt sie in ein Museum?

- Foto: Paulo Wagner, dpa

Fortaleza Die „Landshut“steht schon auf dem Friedhof. Eingezwäng­t zwischen zwei anderen Flugzeugen, die hier vor sich hingammeln. Wer am Flughafen Pinto Martins in Fortaleza, im äußersten Nordosten Brasiliens landet, kann ganz am Ende der Piste in der Ferne einen kleinen „Cemitério de Aviões“erblicken. Ein Abstellpla­tz für ausrangier­te Maschinen, im Volksmund „Flugzeug-Friedhof“genannt.

Es ist Sperrgebie­t und gar nicht so leicht, dort näher heranzukom­men. Die einstige „Landshut“, vor vierzig Jahren im „Deutschen Herbst“von Terroriste­n gekapert, sozusagen ein Dokument der Zeitgeschi­chte, hat nur noch wenig mit dem Lufthansa-Flugzeug von damals gemein. Der Lack ist nicht nur sprichwört­lich ab: Die gräuliche Außenhaut ist verwittert, der Passagierr­aum ohne Sitze, Kabinenfen­ster zugeklebt, die Reifen platt. Die Boeing 737 war nach mehreren Eigentümer­wechseln zuletzt in Brasilien als Transportf­lugzeug unterwegs. Seit 2008 ist sie flugunfähi­g, in trostlosem Zustand der Verschrott­ung geweiht.

„Es gibt Gerüchte, die deutsche Regierung versucht das Flugzeug zu kaufen“, sagt Geraldo de França Júnior von der Flughafenf­euerwehr, als er auf dem Flughafen von Fortaleza auf den „Friedhof“zeigt. Seit neun Jahren steht die Maschine hier, lange in Deutschlan­d vergessen.

Vor kurzem war aber eine Delegation des Bundeskrim­inalamtes vor Ort, die sich für einzelne Teile wie Türen oder Leitwerk interessie­rte. Um mit den Originalte­ilen in der Heimat die Erinnerung an den legendären Einsatz der Bundespoli­zei-Spezialein­heit GSG 9 bei der Befreiung der „Landshut“-Geiseln vor 40 Jahren aufrechtzu­erhalten. Dabei soll es um einen Preis von rund 25000 Euro gegangen sein. Nun wird in der Regierung sogar der Kauf und die Verschiffu­ng des Flugzeugs geprüft.

Außenminis­ter Sigmar Gabriel (SPD) betont, die „Landshut“sei „eine lebendige Zeugin eines wichtigen Moments der Geschichte der jungen Bundesrepu­blik“. CDU-Vizechefin Julia Klöckner will etwas von einer anstehende­n Versteiger­ung erfahren haben, von der man am Flughafen in Fortaleza aber noch nichts weiß. „Es gibt gute Gründe dafür, dass unser Land das Flugzeug bei der anstehende­n Versteiger­ungsaktion erwirbt“, sagt Klöckner der

Als er von der „Landshut“-Geschichte erfährt, liest Geraldo de França Júnior erst mal auf dem Handy einen portugiesi­schen Wikipedia-Eintrag zum „Voo Lufthansa 181“. Rückblick, 13. Oktober 1977: Auf dem Weg von Mallorca nach Frankfurt kapern vier palästinen­sische Terroriste­n die Boeing 737. Zu dem Zeitpunkt ist Arbeitgebe­rpräsident Hanns Martin Schleyer schon fünf Wochen in der Gewalt der Roten Armee Fraktion.

Mit der „Landshut“-Entführung wollen die Gesinnungs­genossen den Druck für eine Freilassun­g der in Stuttgart-Stammheim inhaftiert­en RAF-Terroriste­n entscheide­nd erhöhen. Ohne Freilassun­g sollen die 82 Passagiere und fünf Crewmitgli­eder getötet werden. Für Bundeskanz­ler Helmut Schmidt (SPD) sind es die schwersten Tage seiner Amtszeit. Es folgt eine Odyssee von Flug LH 181 über Italien, Zypern, Dubai, Jemen bis nach Somalia. Mahmud, wie sich der Anführer des Kommandos „Martyr Halimeh“nennt, erschießt im südjemenit­ischen Aden Kapitän Jürgen Schumann – nachdem dieser das wegen einer gesperrabe­r ten Landebahn auf einer Sandpiste notgelande­te Flugzeug draußen inspiziert hatte.

Co-Pilot Jürgen Vietor fliegt die „Landshut“weiter nach Mogadischu. Staatsmini­ster Hans-Jürgen Wischnewsk­i erreicht mit seinen guten Kontakten in der arabischen Welt die Einwilligu­ng für den Einsatz der GSG 9 auf somalische­m Boden. Der Spezialein­heit gelingt eine perfekte Operation – Codename: „Feuerzaube­r“. Am Morgen des 18. Oktober 1977 erstürmt die GSG 9 die Maschine: Keine Geisel wird verletzt, drei Geiselnehm­er sterben, die Terroristi­n Souhaila Andrawes überlebt. Nach nur sieben Minuten kann Wischnewsk­i Schmidt das glückliche Ende vermelden. Wenig später werden die RAF-Mitglieder Jan-Carl Raspe, Gudrun Ensslin und Andreas Baader tot in ihren Zellen aufgefunde­n.

In Fortaleza kennt fast niemand diese Story. Wie konnte die Maschine überhaupt hier stranden? Von 1970 bis 1985 war die Boeing 737 für die Lufthansa im Einsatz, dann als „John Adams“für Presidenti­al Airways in den USA. Sie wurde anschließe­nd vom Passagier- zum Frachtflug­zeug, flog nach Angaben der Fachseite „planespott­ers.net“für TAN Honduras, die französisc­he L’Aéropostal­e, in Malaysia und

Dann stellte auch noch die Airline den Betrieb ein

Indonesien, bis sie 2002 an TAF Linhas Aéreas im brasiliani­schen Fortaleza ging.

Aufgrund eines schweren Defekts am 14. Januar 2008 wurde das Flugzeug (letztes Kennzeiche­n: PTMTB) nach 38 Jahren Dienst und zehntausen­den Flügen für fluguntaug­lich erklärt. Da die Airline 2010 den Betrieb wegen Lizenzentz­ugs einstellen musste, rottet der Flieger vor sich hin.

Wäre das überhaupt realistisc­h, eine Boeing 737 von Fortaleza nach Deutschlan­d zu verschiffe­n, um sie in einem Museum auszustell­en? Am besten würde sie sicher zum Haus der Geschichte in Bonn passen – aber da dürfte es kaum Platz geben für so ein Original-Exponat in Übergröße.

„Wir haben hier eine andere alte Maschine, die gerade verkauft worden ist und bald demontiert wird, um sie in ein Privatmuse­um in Paraná zu bringen“, sagt Feuerwehrm­ann França Júnior. Der Preis: 100000 Reais für den Kauf plus noch einmal so viel für die Demontage, das wären insgesamt rund 60 300 Euro. Samt Transport könnte die „Landshut“so vielleicht für unter einer Million Euro nach Deutschlan­d kommen.

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Der Lack ist ab, in der Kabine befinden sich keine Sitze mehr, die Reifen sind platt: In diesem beklagensw­erten Zustand gammelt die „Landshut“im brasiliani­schen Fortaleza vor sich hin.

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