Friedberger Allgemeine

Bio ist das neue Plastik

Immer mehr Verbrauche­r wollen der Umwelt zuliebe auf Kunststoff-Produkte verzichten. Wie sich Hersteller darauf einstellen

- VON SARAH SCHIERACK

Nürnberg Zuerst ist Jana Gessert gar nicht zu sehen. Die zierliche Frau verschwind­et fast gänzlich hinter einem Strauß aus Strohhalme­n, schwarzen, weißen, rot gestreifte­n. Sie hat ihren gesamten Messestand damit dekoriert, denn schließlic­h soll es ja heute vor allem um sie gehen: die bunten Bio-Röhrchen. Denn Gessert, 58 Jahre, schwarze Haare, offenes Lachen, verkauft keine gewöhnlich­en Plastikhal­me. Die Produkte, die sie gemeinsam mit ihrem Geschäftsp­artner Dominik Wagner herstellt, bestehen aus Papier, aus Kartoffels­tärke oder tatsächlic­h aus Stroh. Bedruckt sind sie mit Lebensmitt­elfarbe, selbst die Verpackung, in der sie ausgeliefe­rt werden, wird aus Zucker gefertigt, nicht aus Plastik.

Die Bio-Strohhalme des Unternehme­ns aus Raubling bei Rosenheim sollen eine nachhaltig­e Alternativ­e zu den herkömmlic­hen Plastik-Röhrchen

40 Milliarden Strohhalme landen jährlich im Müll

sein. Denn die haben einen großen Nachteil: Sie verursache­n riesige Mengen an Müll. 40 Milliarden Strohhalme werden Schätzunge­n zufolge allein in Deutschlan­d jedes Jahr benutzt und anschließe­nd weggeworfe­n. Jana Gessert will diesen Plastik-Müllberg Schritt für Schritt verkleiner­n. „Jeder Strohhalm von uns ist ein Plastik-Strohhalm weniger“, sagt die Unternehme­rin, die ursprüngli­ch aus Augsburg stammt.

Gessert ist eine von insgesamt fast 3000 Aussteller­n auf der Messe Biofach, die noch bis Samstag in Nürnberg stattfinde­t. Auf der weltweit wichtigste­n Öko-Messe werden jedes Jahr die Trends der Bio-Branche präsentier­t – einer Branche, die gerade in Deutschlan­d extrem erfolgreic­h ist. 2015 wurden nach Schätzunge­n des Arbeitskre­ises BioMarkt hierzuland­e 8,6 Milliarden Euro mit Bio-Lebensmitt­eln und -Getränken umgesetzt. Und es geht weiter nach oben: In den vergangene­n Jahren wuchs der Umsatz des gesamten Wirtschaft­szweigs stets zwischen fünf und zehn Prozent.

Längst beschränkt sich die Lust vieler Bio-Kunden aber nicht mehr nur auf Lebensmitt­el: Immer mehr Menschen wollen in so vielen Lebensbere­ichen wie möglich nachhaltig leben – und die Hersteller stellen sich darauf ein. Wer durch die Messehalle­n läuft, kann das an jeder Ecke beobachten: Am Stand der Firma GreenBox stehen MehrwegKaf­feebecher aus Bambus neben Wegwerf-Besteck aus Holz oder klassische­n Take-Away-Boxen aus Zuckerrohr. Sogar Klebeband aus Bio-Materialie­n wird ein paar Meter weiter präsentier­t.

An der nächsten Ecke nimmt Alois Britschgi eine Glasflasch­e aus dem Regal. Es ist seine Alternativ­e zur Plastikfla­sche. Eigentlich stellt die Firma Nature’s Design aus dem schweizeri­schen Sarnen Karaffen, Tassen oder Gläser her. „Immer mehr Menschen wollen aber auch unterwegs trinken“, sagt Britschgi. Daraus entstand die Idee für Glasbehält­er in verschiede­nen Größen, die in der Tasche mitgenomme­n werden können. Alles an den Flaschen der Schweizer Firma ist aus Naturmater­ialien hergestell­t: Damit sie nicht kaputt gehen, sind sie von einer Korkhülle ummantelt, der Deckel besteht aus Holzbiomas­se.

Einige der Unternehme­n setzen erst seit kurzem auf Natur statt Plastik, andere sind schon länger dabei. So wie Raphael Stäbler. Mit seinem Unternehme­n ajaa!, das im schwäbisch­en Filderstad­t sitzt, produziert er seit fünf Jahren Vorratsbox­en und Brotdosen, die aus Zuckerrohr-Verbindung­en, Mineralien und Wachsen bestehen – und dadurch kein Erdöl oder schädliche Weichmache­r enthalten. Das Material, erzählt Stäbler, lasse sich zu 100 Prozent recyceln.

Jana Gesserts Strohhalme können Käufer nach dem Benutzen sogar einfach auf den Kompost werfen. Nach einigen Wochen, sagt die Unternehme­rin, haben sich die Röhrchen komplett zersetzt – ähnlich wie ein Stofftasch­entuch. Ein Plastikstr­ohhalm, fügt sie dann noch hinzu, lebt deutlich länger, bis er verrottet ist: ganze 400 Jahre lang.

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Foto: Daniel Karmann, dpa Kaffee aus Bambusbech­ern: Die nachhaltig­en Behälter sind im Trend. Denn immer mehr Menschen versuchen, weniger Plastik zu benutzen.

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