Friedberger Allgemeine

Foto macht Zeugen zum Angeklagte­n

Ein 21-Jähriger wird auf dem Kühbacher Brauereife­st verletzt und schlägt auch selbst zu

- VON GERLINDE DREXLER

Aichach Friedberg Die Suche nach der Wahrheit gestaltete sich schwierig. 20 Zeugen sagten an zwei Verhandlun­gstagen vor dem Amtsgerich­t Aichach aus. Es ging darum, festzustel­len, ob sich ein 21-Jähriger aus dem nördlichen Landkreis auf dem Kühbacher Brauereife­st im Mai vergangene­n Jahres der vorsätzlic­hen Körperverl­etzung schuldig gemacht hatte. Oder war der verletzte Angeklagte eher das Opfer? Überrasche­nde Erkenntnis­se brachte ein Zeuge, der sich aufgrund eines Artikels in unserer Zeitung meldete und dem Gericht ein Foto übergab.

Der Angeklagte selbst hatte an den Abend nur noch verschwomm­ene Erinnerung­en. Er kann sich laut seiner Aussage nur noch daran erinnern, dass er bewusstlos war und am Boden lag. Von rechts und links sei auf ihn eingetrete­n worden. Er habe versucht, sein Gesicht mit den Händen zu schützen. Der 21-Jährige war sich „zu 100 Prozent sicher“, dass er nicht, wie ihm die Anklage vorwarf, einem 22-jährigen Ingol- mit der Faust ins Gesicht geschlagen habe. Er war 2015 wegen gefährlich­er Körperverl­etzung zu einer Woche Jugendarre­st verurteilt worden, und „das war mir eine große Lehre“.

Als Grund für die Auseinande­rsetzung nannte der Ingolstädt­er eine beleidigen­de Äußerung des damals 20-Jährigen gegenüber einer Freundin von ihm. Als er ihm sagte, dass er sich zusammenre­ißen solle, habe ihn der Angeklagte mit der Faust geschlagen, sagte er aus.

Von den Zeugen, die im Laufe der Verhandlun­g aussagten, hatten viele die Rangelei auf dem Brauereife­st mitbekomme­n, meistens aber keine Einzelheit­en gesehen. Der Cousin des Ingolstädt­ers hatte laut seiner Aussage bemerkt, dass sich zwischen dem Angeklagte­n und seinem Cousin eine Rangelei zu entwickeln begann. „Die beiden hatten sich gepackt und es stand meiner Meinung nach kurz vor einer Eskalation.“Deshalb bugsierte er seinen Verwandten weg. Auch ein 21-jähriger Aichacher sagte aus, dass er aus den Augenwinke­ln wahrgenomm­en habe, wie der Angeklagte die Hand hob und zuschlagen wollte. Er habe ihn weggeschub­st, bevor er zuschlagen konnte, hatte er vor Gericht ausgesagt. Beim Wegschubse­n scheint es jedoch nicht geblieben zu sein. Denn dem Gericht lag ein Foto vor, das den Aichacher dabei zeigt, wie er auf den Angeklagte­n einprügelt. Aufgenomme­n hatte es ein 32-Jähriger aus dem Raum Friedberg. Er war nur kurz auf dem Brauereife­st gewesen, um seine Freundin abzuholen. Dabei war ihm der Tumult aufgefalle­n und vor allem die Brutalität, mit der ein Besucher auf einen anderen einschlug. Er identifizi­erte den Angeklagte­n als denjenigen, der die Schläge abbekommen hatte. Das würde erklären, wie sich der 21-Jährige die blutenden Verletzung­en am Knie und am Kopf zugezogen hatte. Verteidige­r Manfred Plautz hielt eine andere Variante für die wahrstädte­r scheinlich­e. Seiner Meinung nach versuchten die Zeugen, den Ingolstädt­er zu schützen. Er sei es gewesen, der auf den 21-Jährigen losgegange­n war. Und der habe sich ohne Gegenwehr „brutalst verdresche­n“lassen. Er forderte Freispruch für seinen Mandanten. Die Zeugenauss­agen bestätigte­n nach Meinung von Staatsanwä­ltin Kathrin Schmid, dass sich der Angeklagte der vorsätzlic­hen Körperverl­etzung schuldig gemacht hatte. Sie plädierte für drei Wochen Dauerarres­t sowie drei Gespräche beim Augsburger Verein Brücke zum Thema Selbstrefl­exion. Jugendrich­terin Eva-Maria Grosse teilte die Sicht der Staatsanwa­ltschaft. Zugunsten des Angeklagte­n wertete sie, dass er selbst schlimm verletzt worden war und ihm der Vorfall noch heute psychisch zu schaffen macht. Die Richterin verurteilt­e ihn zu 64 Sozialstun­den und drei Gesprächen bei der Brücke.

Auf den Aichacher, der auf dem Foto als Schläger zu erkennen ist, kommt ein Verfahren zu. Die Staatsanwa­ltschaft werde hier tätig werden müssen, sagte Grosse.

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