Friedberger Allgemeine

Auf der Suche nach dem Traumsport

Wer bisher weder Disziplin noch Verein gefunden hat, kann das jetzt nachholen. Ein neues Netzwerk bietet Schnuppert­rainings an. Wir haben das ausprobier­t

- VON ANIKA ZIDAR

Völlig unbedarft ins Wasser steigen, ganz ohne Regelkunde Football spielen oder auf der Radbahn die Profis überholen – wer traut sich schon, im Erwachsene­nalter einen Sport auszuprobi­eren, von dem man keine Ahnung hat? Das neue Augsburger Sportnetzw­erk „Auxsports“bietet mutigen und spontanen Erwachsene­n Schnuppers­tunden in den verschiede­nsten Sportarten an. Das Spannende dabei: Bis kurz vor Trainingsb­eginn weiß der Teilnehmer nicht, welche Disziplin ihn erwartet. Ich habe mich der Herausford­erung gestellt – und drei Mal überrasche­n lassen.

Unterwasse­r Rugby Was hat diese Sportart bloß mit dem ruppigen Rasensport zu tun? Mein erster Blick in das Haunstette­r Hallenbad überrascht mich. Statt grobschläc­htiger Kraftprotz­e warten schmal gebaute Spieler und Spielerinn­en des Tauchsport­clubs (TSC) Neptun Augsburg am Beckenrand. Mit Tauchmaske, Schnorchel und Flossen gleiten sie elegant ins Wasser. Auch ich werde mich nun erstmals in einen solchen Pinguin verwandeln. Gerade ziehe ich mir Flossen über die Füße, da bremst mein Betreuer Frank Schönfelde­r schon meine Erwartunge­n: „Mit großen Ambitionen brauchst du nicht anfangen“, sagt er und gibt mir den Tipp: „Wenn du den Ball überhaupt bekommst, gib ihn so schnell wie möglich weiter!“Man dürfe im Unterwasse­r-Rugby anfangs nicht zu viel erwarten.

Was er damit meint, wird mir schnell klar: Nur langsam finde ich mich unter Wasser zurecht. Erst unbeholfen, dann mit kraftvolle­n Bewegungen stoße ich mich mit den Flossen voran. „Die Arme bewegst du nicht, sonst wirst du langsamer“, rät mir Schönfelde­r. Meine ersten Tauchversu­che mit Schnorchel auf bis zu vier Metern Tiefe gelingen zwar, doch immer wieder muss ich mich in höchster Eile Luft schnappend an den Beckenrand retten.

Die erfahrenen Neptun-Spieler halten unter Wasser dagegen bis zu 30 Sekunden durch. Auf Rücken oder Bauch tauchen sie in alle Richtungen und stoßen sich den schweren, mit Salzwasser gefüllten Ball unter Wasser zu. Um den Einstieg ins Spiel zu finden, warte ich nahe des Beckenrand­s. Wie im Eishockey gibt es beim Unterwasse­r-Rugby fliegende Wechsel. Weil ich keinem der flinken Spieler aus Luftnot den Spielzug vermiesen will, bleibe ich lieber noch am Rand und beobachte das Treiben von der Wasserober­fläche aus. Mich aktiv anzubieten, traue ich mich anfangs nicht.

Irgendwann stoße ich mich entschloss­en vom Beckenrand ab, tauche zum gegnerisch­en Angreifer, der den Ball hält, und versuche, ihn mit wilden Ruderbeweg­ungen vom entscheide­nden Pass abzuhalten. Doch schnell geht mir die Luft aus. Ich treibe nach oben – und der Gegner erzielt mit zwei Schlenkern das Tor. Ich bin wohl eher Haubentauc­herin als Pinguin. Aber immerhin: Einen Pass habe ich verhindert. Fazit: Für eine Karriere im Unterwasse­r-Rugby müsste ich erst schnorchel­n lernen. Spannend ist der dreidimens­ionale Ballsport aber allemal. Bringe ich für mich selbst genauso viel Geduld auf, wie es die Trainer des TSC Neptun tun, könnte es demnächst schon besser klappen.

Flag Football Für ein Trainingss­piel in der kontaktfre­ien Variante des US-Sports darf ich mich mit ein paar Runden Laufen um den Rasenplatz warm machen. Mit gutem Willen trabe ich los, auch um der Februarkäl­te etwas entgegenzu­setzen. Die routiniert­en Spieler des TV Augsburg stören sich an den Temperatur­en freilich nicht. Während

Idee Mitglieder dürfen monatlich vier verschiede­ne Diszipline­n testen, die Augsburger Vereine anbieten. So finden Sportbegei­sterte eine Sport art für sich und Vereine neue Mitglieder.

Überraschu­ng Auf welche Disziplin sie sich einlassen, wissen die Teil nehmer vor Trainingsb­eginn nicht.

Ausrüstung Utensilien wie Schnor chel oder Helm verleihen die Vereine für das Schnuppert­raining.

Sportarten Etwa 60 Diszipline­n will Auxsports in die Aktion aufnehmen. Neben ungewöhnli­chen Sportarten wie Flagfootba­ll und Unterwasse­rrugby ist auch klassische­r Breitenspo­rt dabei. Nur Fußball und Laufsport bleiben außen vor, weil sie sehr verbreitet sind. ich mich noch ans Werfen und Fangen mit dem Ei gewöhne, beeindruck­en die Spieler mit schnellen Passkombin­ationen im Aufwärmspi­el. Sie tänzeln, sie schlagen Haken, sie wehren ihren Gegner ab und attackiere­n den ballführen­den Spieler. „Aber keineswegs mit Körperkont­akt“, sagt Trainer Andreas Binder, „wir stoppen den Gegner, indem wir die Flags ziehen.“

Die Flags sind Textilschl­aufen an einem Geschirr, das jeder Spieler um die Taille trägt. Auch ich binde es mir um und lasse mir von Trainer Binder die Laufwege erklären. Fünf Schritte nach vorn und drei nach links, drei Schritte nach vorn und fünf diagonal, fünf Schritte nach vorn und drei nach links – schon habe ich die Übersicht verloren. In drei Versuchen gelingt es mir nicht, das Ei zu greifen. Immer wieder rutscht es mir durch die Finger. Ein Versuch kurz vor Schluss: Ich laufe in die Diagonale und greife nach dem Football. Doch in dem Moment als ich ihn fangen kann, zieht mein Gegenspiel­er mein Flag ab. Der Angriff wird unterbroch­en. Mich tröstet nur eines: Mein Gegner war der Augsburger Dirk Engelbrech­t – und der ist schließlic­h Nationalsp­ieler im Flag Football. Fazit: Für die vielen Laufwege im Flag Football fehlen mir technische­s und taktisches Verständni­s. Spieler und Trainer beim TVA allerdings versichern: Wer Spaß am Mannschaft­ssport mitbringt, kommt recht schnell dahinter.

Bahnradfah­ren Surrend braust ein Rennrad nach dem anderen durch die Steilkurve der Augsburger Radrennbah­n in Lechhausen. Geräusch und Geschwindi­gkeit erwecken den

Zielgruppe Mitmachen kann jeder ab 18 Jahren, der Freude an Sport hat. Bei Anmeldung gibt man Aus schlusskri­terien an, um nicht in un angenehme Situatione­n zu kommen.

Ziel Bei den Schnuppert­rainings geht es um Spaß und Gemeinscha­ft. Trainer erklären in aller Ruhe, wie Dis ziplinen funktionie­ren, und geben viele Tipps. Weil die Sportart für alle neu ist, geht es nicht um Leistung.

Versicheru­ng Für die Teilnahme an einzelnen Trainingss­tunden ist für alle Mitglieder eine Unfall und Haft pflichtver­sicherung inklusive.

Kosten Eine Mitgliedsc­haft kostet 29,90 Euro im Monat. (zian)

www.auxsports.de Eindruck, die Drahtesel wären E-Bikes. Dabei gibt es am Rad nicht einmal eine Bremse. Auch sonst hat dieses Gefährt mit dem Straßenfah­rrad wenig gemein. Den Hauptunter­schied erklärt Albert Hofstetter, Vorsitzend­er der Radsportge­meinschaft Augsburg (RSG): „Das Rad hat eine starre Nabe, keinen Leerlauf und kann vorwärts und rückwärts fahren.“Was mir der Experte damit sagen möchte: Das Gleichgewi­cht zu finden, ist nichts für Ungeübte. Ich lasse mir aufs Rad helfen, Schwung geben und trete los, immer der innersten Bahn entlang, die noch ganz eben ist. Mit dem Treten aufzuhören, ist schlicht unmöglich. Der Schwung meiner Fahrt bewegt die Pedale wie von selbst. „Hörst du mit dem Treten auf, hebt es dich im schlimmste­n Fall über den Lenker“, warnt mich der Trainer. Keine angenehme Vorstellun­g – erst recht nicht mit knapp 35 Stundenkil­ometern in der Steilkurve. Auch da will ich hin, muss mich aber konzentrie­ren, um die Gedanken an Leerlauf oder Bremsen zu vertreiben. Mit wachsendem Selbstvert­rauen wird der Abstand auf den Vordermann immer kleiner.

Drei Runden lang fahre ich dicht hinter ihm her, dann habe ich sein Tempo satt und nutze den Moment: Allen Respekt ausschalte­n, noch stärker in die Pedale treten und oben in die Steilkurve einfahren. Das Gefühl ist überwältig­end, die Bahn nimmt mich mit. Solange ich trete, fährt es sich wie von selbst. Lenken muss ich nicht, auch denken nicht. Bevor mich der Übermut packt, nehme ich das Tempo aus den Pedalen, trete vorsichtig langsamer und lenke in Richtung Bahnmitte. Fazit Mut braucht man unbedingt, auch starke Oberschenk­el und Konzentrat­ion helfen in der atemberaub­end schnellen Disziplin. Bloß den Absprung muss man schaffen.

Immer wieder rutscht das Ei durch die Finger Auxsports – was das neue Sportnetzw­erk bietet

 ?? Fotos: Thorsten Franzisi und Norbert Liesz ?? Flag Football (oben), Unterwasse­r Rugby (unten) und Bahnradfah­ren: Auf der Suche nach dem Traumsport hat unsere Volontärin den Selbstvers­uch gewagt und alle drei Diszipline­n ausprobier­t. Dabei ist sie auch an ihre Grenzen gestoßen.
Fotos: Thorsten Franzisi und Norbert Liesz Flag Football (oben), Unterwasse­r Rugby (unten) und Bahnradfah­ren: Auf der Suche nach dem Traumsport hat unsere Volontärin den Selbstvers­uch gewagt und alle drei Diszipline­n ausprobier­t. Dabei ist sie auch an ihre Grenzen gestoßen.

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