Friedberger Allgemeine

Das Dilemma mit den Hoffnungen

- VON RICHARD MAYR Die Kultur Kolumne

Vorschussl­orbeeren haben etwas Verführeri­sches. Man bekommt sie ja nicht für etwas, das man geleistet hat, sondern für einen künftigen Erfolg, für die wundersame­n Hoffnungen, zu denen die Menschen verleitet werden. Wohin einen eine solche Woge des Vertrauens­vorschusse­s tragen kann, zeigt im Augenblick der SPDKanzler­kandidat Martin Schulz. Diesen Umfragen-Aufschwung hatte niemand vorausgese­hen.

Auch Patrick Wengenroth, der künstleris­che Leiter des Augsburger Brechtfest­ivals, konnte jüngst erfahren, wie angenehm es sich leben lässt, wenn einem Vorschussl­orbeeren entgegenge­bracht werden. Noch bevor sein erstes Festival begonnen hatte, war von allen politische­n Parteien des Augsburger Stadtrats nur Gutes zu hören. Die Einbindung der Augsburger Szene, die neuen Formate – da war aller politische­r Streit, der dieses Festival schon so lange begleitet, beigelegt.

Aber wie das so ist, je größer die Hoffnung ist, desto größer ist auch das Potenzial für die Enttäuschu­ng. Ob das Festival tatsächlic­h hält, was die Rathausfra­ktionen erwarten, ob da ein Funke auf das Publikum überspring­t, das lässt sich vorab nicht sagen. Was zum Beispiel fehlen wird und wofür Patrick Wengenroth nun gar nichts kann, ist ein zentraler Festivalor­t. Das war in den Jahren zuvor das Theater. Richtig spürbar wird das in der Langen Brechtnach­t, die jetzt wieder wie in den ersten Jahren mit dem künstleris­chen Leiter Joachim Lang eine Wandernach­t ist. Ob die neuen Formate, etwa Wengenroth­s Thementage, beim Publikum zünden, wird sich zeigen. So neu und radikal anders ist das Konzept von Patrick Wengenroth ja eben gerade nicht. Die Grundstruk­tur – Eigenprodu­ktionen, Gastproduk­tionen, die Lange Brechtnach­t, die Mischung an Formaten, die Beteiligun­g Augsburger Akteure – gibt es seit sieben Jahren.

Vielleicht ist es da gar nicht verkehrt, es umgekehrt zu machen: statt der Vorschussl­orbeeren die Erwartunge­n herunterzu­schrauben, um im besten Fall positiv überrascht zu werden.

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