Das Dilemma mit den Hoffnungen
Vorschusslorbeeren haben etwas Verführerisches. Man bekommt sie ja nicht für etwas, das man geleistet hat, sondern für einen künftigen Erfolg, für die wundersamen Hoffnungen, zu denen die Menschen verleitet werden. Wohin einen eine solche Woge des Vertrauensvorschusses tragen kann, zeigt im Augenblick der SPDKanzlerkandidat Martin Schulz. Diesen Umfragen-Aufschwung hatte niemand vorausgesehen.
Auch Patrick Wengenroth, der künstlerische Leiter des Augsburger Brechtfestivals, konnte jüngst erfahren, wie angenehm es sich leben lässt, wenn einem Vorschusslorbeeren entgegengebracht werden. Noch bevor sein erstes Festival begonnen hatte, war von allen politischen Parteien des Augsburger Stadtrats nur Gutes zu hören. Die Einbindung der Augsburger Szene, die neuen Formate – da war aller politischer Streit, der dieses Festival schon so lange begleitet, beigelegt.
Aber wie das so ist, je größer die Hoffnung ist, desto größer ist auch das Potenzial für die Enttäuschung. Ob das Festival tatsächlich hält, was die Rathausfraktionen erwarten, ob da ein Funke auf das Publikum überspringt, das lässt sich vorab nicht sagen. Was zum Beispiel fehlen wird und wofür Patrick Wengenroth nun gar nichts kann, ist ein zentraler Festivalort. Das war in den Jahren zuvor das Theater. Richtig spürbar wird das in der Langen Brechtnacht, die jetzt wieder wie in den ersten Jahren mit dem künstlerischen Leiter Joachim Lang eine Wandernacht ist. Ob die neuen Formate, etwa Wengenroths Thementage, beim Publikum zünden, wird sich zeigen. So neu und radikal anders ist das Konzept von Patrick Wengenroth ja eben gerade nicht. Die Grundstruktur – Eigenproduktionen, Gastproduktionen, die Lange Brechtnacht, die Mischung an Formaten, die Beteiligung Augsburger Akteure – gibt es seit sieben Jahren.
Vielleicht ist es da gar nicht verkehrt, es umgekehrt zu machen: statt der Vorschusslorbeeren die Erwartungen herunterzuschrauben, um im besten Fall positiv überrascht zu werden.