Der städtebauliche Wandel braucht Wächter
In Augsburg gibt es viele neue Projekte, gerade im Stadtzentrum. Der Bauboom hat Vorteile, er birgt aber auch große Gefahren
In Augsburg herrscht Bauboom. Das macht sich auch im Stadtzentrum bemerkbar. Dort ist der Platz für neue Vorhaben besonders knapp. Deshalb werden nun immer öfter Immobilienprojekte in Angriff genommen, die als schwierig gelten und deshalb lange nicht realisiert wurden. Drei Beispiele.
Das prächtige Gignoux-Palais in der Altstadt gammelte nach dem Auszug der Komödie vor sich hin. Nun wird es von einem Münchner Investor saniert. In der historischen Maximilianstraße entsteht gerade „Max 23“, ein kombiniertes Wohnund Geschäftshaus. Ein Augsburger Bauträger schließt damit eine hässliche Baulücke, die seit dem Zweiten Weltkrieg klaffte. Auch an anderer zentraler Stelle bewegt sich endlich etwas: Im Bereich Leonhardsberg, Schmiedberg, Karolinenstraße modernisierte in Augsburger Immobilien unternehmen einen Gebäudekomplex, der stark heruntergekommen war. Man könnte noch viel mehr Beispiele nennen. Das Stadtbild wandelt sich stark. Die Frage ist nur: Ist dieser Wandel gut? Und wird er ausreichend kontrolliert und begleitet?
Positiv ist für Augsburg, dass derzeit viele Investoren ihr Geld in Immobilien anlegen. Darunter sind immer öfter kapitalstarke Privatleute. Sie wollen mit der Sanierung von Gebäuden nicht einfach nur schnell Geld machen wie die berüchtigten „Heuschrecken“. Vielmehr entwickeln sie ihre Immobilien sorgfältig und behalten sie langfristig, um zu vermieten.
Positive Impulse gibt es offenkundig auch durch die Stadtsanierung. Die Fußgängerzone ist nach dem Umbau viel attraktiver geworden. Das zieht andere Modernisierungen nach sich, aktuell beispielsweise in der Steingasse 8. Generell gehen Fachleute davon aus, dass jeder Euro öffentliche Förderung bei Stadt sa nie rungsm aß nah historischer men acht Euro private Investitionen nach sich zieht.
Positiv bemerkbar macht sich im Zentrum inzwischen auch eine stärkere Kontrolle und Begleitung von Bauprojekten, die das Stadtbild prägen. Nach dem städtebaulichen Sündenfall mit der 08/15-Neubebauung am historischen Hasenbräu-Gelände hat die Bauverwaltung dazugelernt. Am sogenannten runden Tisch finden inzwischen intensive Abstimmungsprozesse mit Investoren statt, dort wird gesagt, was geht und was nicht. Auch Heimatpfleger Hubert Schulz und der Baukunstbeirat spielen eine zentrale Rolle als Ratgeber der Stadt. Sie tragen bei problematischen Projekten engagiert mit zu verträglichen Lösungen bei.
Unterm Strich kann man zu dem Ergebnis kommen, dass der Wandel des Stadtbilds im Augsburger Zentrum derzeit in die richtige Richtung läuft und im Prinzip von den zuständigen Fachleuten gut überwacht und begleitet wird. Ein stärkerer Wille zu gestalterischen Vorgaben ist erkennbar.
Trotzdem könnten die positiven Effekte noch größer sein, wenn die Stadtsanierung energischer vorangetrieben werden würde. Zwar gibt es viele Ideen und Pläne, etwa den Fuggerboulevard zum Theater, den Campus am Holbein-Gymnasium, das neue Theaterquartier, den Bereich zwischen Königsplatz und Hauptbahnhof oder eine Aufwertung der Karolinenstraße. Städtebaufördermittel für diese Maßnahmen wären vorhanden und für Augsburg zu haben. Bedauerlicherweise fehlt der Stadt aber das nötige Geld, um ihren eigenen Anteil aufzubringen. 2017/18 ist finanziell nur die Sanierung der Bäckergasse machbar.
Auch wenn man auf das gesamte Stadtgebiet schaut, könnte manches besser laufen. Der Verlust von Bausubstanz hat in Augsburg dramatische Ausmaße angenommen. Ganze Häuserzeilen werden abgerissen, um Neubauten Platz zu machen, etwa in der Georgenstraße im Domviertel oder im Textilviertel bei Martini. Immer mehr grüne Inseln in den Stadtvierteln verschwinden, die Treffpunkte für Anwohner sind, etwa der kleine Biergarten beim früheren Rossini in Göggingen.
Politiker und Bauverwaltung sollten sich deshalb zeitnah mit der Frage befassen, ob der Schutz für Stadtbild prägende alte Gebäude (und auch alte Bäume) nicht noch wesentlich verbessert werden kann. Bislang steht nur ein sehr kleiner Teil der Augsburger Bausubstanz unter Denkmalschutz. Die Stadt könnte selber weitere Gebäude listen. So wird das in Dresden gemacht. Mit mehr Schutz würde es vielleicht auch weniger Proteste von wütenden Bürgern geben. Viele wollen nicht, dass sich ihr traditionelles Stadtviertel in ein gesichtsloses modernes Wohnquartier verwandelt. Verständlich!
Mehr Schutz für alte Gebäude wäre nötig