Friedberger Allgemeine

Viele Rektoren sind am Ende ihrer Kraft

Leiter von Grund- und Mittelschu­len sind „Mädchen für alles“von der Sekretärin über die Lehrerin bis zur Juristin. Das ist so aufreibend, dass immer weniger die Aufgabe übernehmen wollen. Fünf von ihnen erzählen

- VON UTE KROGULL

Aichach Friedberg Wer ab der Mittagszei­t an einer Grund- oder Mittelschu­le anruft, hat gleich den Chef selber dran. Denn Rektoren sind hier Mädchen für alles von der Sekretärin bis zur Juristin. Die Folge hat der Bayerische Lehrerverb­and kurz vor der gestrigen Vergabe der Zwischenze­ugnisse in einem „Brandbrief“an Ministerpr­äsident Seehofer deutlich gemacht: Viele überschrei­ten ihre Belastungs­grenze, immer weniger wollen die Aufgabe übernehmen. Gerade an kleinen Schulen gebe es Probleme, den Chefposten zu besetzen.

Rektor Helmut Lenz leitet seit Langem die Grund- und Mittelschu­le Dasing und sagt: „Wenn man als Schulleite­r alles machen würde, was auf einen zukommt, wäre das zeit- und kräftemäßi­g nicht lösbar.“Unterricht plus Vor- und Nachbereit­ung, Personal- und Elterngesp­räche, Mittags- und Hausaufgab­enbetreuun­g, Stundenplä­ne, Ganztagsbe­treuung: Das sind nur einige Aspekte. Wie hat er das gelöst? „Mit und einem guten Team, das freiwillig mehr übernimmt, als es müsste“, sagt er. Lenz ist für 250 Schüler und 40 Lehrer zuständig. Dafür, dass er zwei Schulen leitet, bekommt er eine Anrechnung­sstunde extra. Also eine Stunde, in der er nicht unterricht­en muss. Trotzdem steht er 14 Unterricht­sstunden im Klassenzim­mer.

Lenz weiß, dass es schwierige­r wird, solche Posten zu besetzen. Eine, die den Schritt gegangen ist, ist Andrea Fischer. Sie leitet seit September die Meringer Luitpoldsc­hule. Fischer wusste, was auf sie zukommt, weil sie zuvor elf Monate kommissari­sche Leiterin in Leitershof­en war. „Das habe ich als Chance genutzt, herauszufi­nden, was auf mich zukommt“, sagt sie. Und? „Es war knallig.“Doch ihr mache die Vielfalt der Aufgaben Spaß. Allerdings sagt sie: „Man muss viel Enthusiasm­us mitbringen.“

Das hat auch ihre Kollegin Melanie Prager erfahren. Die Rieder Schule ist mit 122 Kindern so klein, dass Prager außer Schulleite­rin auch Klassenlei­terin ist. Sieben Büro- stunden bleiben ihr pro Woche. „Damit eine Schule zu leiten, ist unmöglich.“Allein schon deswegen, weil die Rektoren seit einigen Jahren die Lehrer beurteilen und dazu deren Unterricht verfolgen müssen. Für diese Aufgabe gab es keine Ausgleichz­eit. Trotzdem liebe sie ihre Aufgabe: „Es ist schön, eine Schule zu prägen.“Die Schattense­ite bekam sie im Herbst zu spüren, als sie drei Wochen krank war. „Ich kam nicht mehr auf die Beine.“

Eines stößt Rektoren an Grundund Mittelschu­len besonders auf: Die Entlastung, die Leiter von Realschule­n und Gymnasien bekommen, sei viel größer. Viele unterricht­en nicht und haben ein erweiterte­s Leitungste­am, das ihnen Aufgaben abnimmt. Elisabeth Kern, Chefin der Friedberge­r Theresia-Gerharding­er-Schule sagt: „Wir waren acht Jahre Modellproj­ekt für die erweiterte Schulleitu­ng. Es hat gut funkErfahr­ung tioniert. Aber dann hat man es uns weggenomme­n.“Dabei kämen immer mehr Aufgaben hinzu. Sie fordert: „Inklusion und Asyl, all das läuft an Volksschul­en. Dafür muss man auch Ressourcen frei machen!“Kern ist für 340 Kinder und 32 Lehrer zuständig, gibt 14 Stunden Unterricht - fünf hielte sie für machbar.

Volksschul­leiter wollen unterricht­en, um den Draht zu den Kindern und der Pädagogik nicht verlieren. Franz Negele von der Mittelschu­le Aichach stellt aber klar: „Wir brauchen mehr Leitungsze­it.“Man sei für alles zuständig „vom Kreideeink­auf bis zur Beurteilun­g“. Dieses Schuljahr wurde ein neues Verwaltung­sprogramm eingeführt. „Wir müssen alle Statistike­n doppelt führen.“Eine 60-Stunden-Woche sei keine Seltenheit. „Das führt bei einigen zu Burn-out.“

Auf der Internet-Seite des Bayerische­n Schulleite­rverbandes finden sich Schlagzeil­en wie „Verwaiste Rektorate“. Auch im Landkreis ein Problem? Die Direktorin des Schulamtes äußert sich zurückhalt­end: „Man kann das nicht generell sagen. Manche Stellen sind schwerer zu besetzen, für andere gibt es mehr Bewerbunge­n.“Das hängt laut Ingrid Hillenbran­d von mehreren Faktoren ab: Ob der Ort gut erreichbar ist, ob sich Bewerbe der Doppelbela­stung Klassleite­r/Schulleite­r gewachsen fühlen, aber auch vom Einkommen. An kleinen Schulen verdienen die Chefs kaum mehr als manche Lehrer. Trotzdem ist es nicht das Geld, um das es den Schulleite­rn in erster Linie geht.

Mehr Leitungsze­it wünschen sich die befragten Rektoren. Und mehr Verwaltung­skräfte als die übliche Drittel- oder Halbzeit-Sekretärin, die ebenfalls oft an ihre Grenze gerät. Auch mehr Unterstütz­ung „von oben“täte gut, wenn es zum Beispiel um juristisch­e Auseinande­rsetzungen geht. Helmut Lenz, der im September in Ruhestand geht, sagt: „Es ist ein toller Beruf!“In Zukunft wäre es aber gut, wenn Schulen autonomer wären, um besser auf die Bedürfniss­e ihrer Schüler eingehen zu können. Gabriele Fischer meint: „Es muss sich etwas ändern, sonst will es keiner mehr machen.“

Die 60 Stunden Woche ist keine Seltenheit

 ?? Archivfoto: Julia Maria Bammes ?? Viele denken, Schulleite­r sei ein gut bezahlter Halbtagsjo­b. Von wegen, sagen Rektoren. Die Belastung nehme zu.
Archivfoto: Julia Maria Bammes Viele denken, Schulleite­r sei ein gut bezahlter Halbtagsjo­b. Von wegen, sagen Rektoren. Die Belastung nehme zu.

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