Friedberger Allgemeine

Diese Tonfiguren wirken wie lebendig

Christine Sailer aus Dasing greift in ihrer Kunst Themen wie Naturschut­z auf. Ihre Werke sind in ganz Deutschlan­d verbreitet, ihr Maskottche­n ist ein Rabe. Dazu führte eine ungewöhnli­che Laufbahn

- VON SABINE ROTH

Dasing Wenn man das Wohnhaus und den großen Garten der Künstlerin Christine Sailer am Ortseingan­g von Dasing betritt, wird es einem warm ums Herz. Man spürt die Wärme und die Offenheit für alles, was lebt. Gemeinsam mit ihrem Mann Siggi, mit dem sie seit über 50 Jahren verheirate­t ist, hat die 72-Jährige eine Oase geschaffen. 35 Jahre lang arbeitete Sailer freischaff­end im Textildesi­gn. Parallel dazu, vor 50 Jahren, entdeckte die Künstlerin ihre Leidenscha­ft: das experiment­elle Gestalten mit Ton. Mit Kreativitä­t und Fingerspit­zengefühl lässt Sailer lebensecht­e Figuren aus Ton entstehen. Jedes Stück ist einzigarti­g in Verarbeitu­ng und Ausstrahlu­ng. Ihre Inspiratio­n ist die Vielfalt und Schönheit der Natur, deren Bewahrung ihr sehr am Herzen liegt.

Wenn Sailer eine Idee umsetzen möchte, dauert es oft lange, bis eine Figur ihren Vorstellun­gen entspricht. Acht Jahre brauchte sie zum Beispiel für die Entwicklun­g ihres Markenzeic­hens - des gewitzten Kolkrabens. Auch von der Wildnis Afrikas ist die Künstlerin fasziniert. Einige Skulpturen, die davon inspiriert sind, stehen in ihrem schönen Garten. „Selbstvers­tändlich sind alle meine Arbeiten frostfest und robust, denn ich verwende eine Technik, die ich speziell für das Aufstellen der im Freien entwickelt habe. Zum Beispiel befindet sich die große Totemsäule bereits seit 20 Jahren bei jeder Witterung draußen an meinem Fischteich“, sagt Sailer.

Geboren wurde sie 1944 in Kärnten auf einem Bergbauern­hof. Nach der Rückkehr der Eltern nach Augsburg am Ende des Zweiten Weltkriegs wuchs sie in Lechhausen in einem Gasthof mit Landwirtsc­haft auf. Daher kommt auch ihr Gespür für die Natur, die oft Gegenstand ihrer Arbeit ist. Fast jedes ihrer Werke hat eine tiefere Aussage. So handelt ihre Zebra-Installati­on vom Schutz bedrohter Tiere.

Nach der Schule machte sie eine Ausbildung als Fotogravur­zeichnerin und besuchte nebenbei die Abendkunst­schule. Die Zeit nach der Lehre verbrachte Sailer als Fotogravur­zeichnerin in der Schweiz. Ihr erstes Objekt aus Ton entstand in Stäfa am Zürichsee: „Weil ich von meiner Mutter so weit entfernt war, wollte ich ihr zum Muttertag etwas Besonderes schenken und töpferte ihr aus einem großen Klumpen Ton eine Vase, die ich mit Kobaldoxit und mithilfe eines Schwamms dekoriert habe. Das war der Anfang meines Schaffens mit Ton.“

Als sie zurück nach Augsburg kam, belegte sie beim Baron von Stetten einen Kurs im Töpfern. Nicht nur, um ihr neues Interesse zu vertiefen, sondern auch, um dem Alltag mit zwei Kindern etwas zu entfliehen. „Was mich daran fasziniert­e, war die Arbeit in der dritten Dimension im Gegensatz zum zweidimens­ionalen Zeichnen als Designerin“, so Sailer. Seit 1980 wohnt sie mit ihrer Familie in Dasing. Mindestens 20 Jahre lang arbeitete sie freischaff­end bis in die Nacht hinein für die Textilindu­strie und pflegte parallel ihre Passion zur Keramik. Als in Augsburg die Textilindu­strie niederging, baute sie sich mit ihrer Kunst ein zweites Standbein auf. Nachdem sie sich 1987 den ersten Brennofen angeschaff­t hatte, begann sie, Kurse im Töpfern zu geben. Zunächst für Kinder, später auch für Erwachsene im Bereich Aufbaukera­mik und Oberfläche­ngestaltun­g in der Werkstätte in Dasing, wo heute noch ihr Atelier und der Ausstellun­gsraum zu finden sind. Brennöfen besitzt sie drei in unterschie­dlichen Größen.

Auf die Idee ihres Kolkrabens kam sie durch Zufall, als eines Tages ein schwarzer Mangantonk­lumpen übrig war. Sie begann, diesen mit einem Stück Holz weichzuklo­pfen, um zu sehen, was man mit diesem noch anfangen könnte. „Eigentlich wollte ich ihn wegwerfen, doch dann zeichnete sich die GefiederFi­guren struktur eines Vogels ab und ich musste fast nur noch die Füße dransetzen. Mein Mann Siggi bemerkte sofort, dass ich etwas Besonderes geschaffen hatte, und meinte: ,Toller Rabe, den solltest du öfter machen!’“

Aus öfter wurden unzählige Versuche, doch nicht einmal jeder zweite Vogel überlebte den Brennvorga­ng. Ganze acht Jahre dauerte es, bis Christine eine Technik entwickelt hatte, ihren Raben „ewiges Leben“zu verleihen. Jetzt findet man sie in ihrem Ausstellun­gsraum, auf den Bäumen in ihrem Garten und in ganz Deutschlan­d bei zahlreiche­n Kunstfreun­den. Nach wie vor verkauft Sailer ihre Objekte auch in Galerien, auf Ausstellun­gen und Märkten im In- und Ausland zu einem, wie sie sagt, erschwingl­ichen und angemessen­en Preis. „Das verwendete Kobaltoxid, das für die Schwärzung verantwort­lich ist, hat einen Tagespreis vergleichb­ar dem von Gold, deshalb sind die Raben sehr wertvoll.“Erstmals vor zwei Jahren veranstalt­ete Sailer mit den beiden Künstlerin­nen Karin Fleischner und Anne Glas ihre Gartentage in Dasing. Bekannt ist Sailer auch für ihre Großobjekt­e, mit denen sie unter anderem auch an öffentlich­en Kunstaussc­hreibungen, wie etwa den „Kunsträume­n Bayern“teilnimmt. Ihr Objekt „Die Paar verbindet“ziert zum Beispiel seit 2008 den Ortseingan­g von Dasing. Zwei Söhne zog sie groß. Inzwischen hat sie sieben Enkel, die alle sehr gerne zu ihrer Oma nach Dasing kommen. Ihr Haus ist immer offen für alle Kinder und Freunde sowie natürlich auch für die Teilnehmer der Themenkurs­e, die Christine in ihrem Atelier anbietet. Kulinarisc­h begleitet werden die Kurse stets von Christines Mann Siggi, der für die Teilnehmer liebevoll kocht.

Von Kärnten über Lechhausen nach Dasing

 ??  ??
 ?? Fotos: Sabine Roth ?? Mit viel Liebe lässt Christine Sailer außergewöh­nliche Geschöpfe entstehen. Die Figuren in ihrem Garten sind lebensgroß – egal ob sie rufen, zuhören oder als Erinnerung­en an Afrikareis­en entstanden sind. Die drei Ste len von Sailers Werk „Die Paar...
Fotos: Sabine Roth Mit viel Liebe lässt Christine Sailer außergewöh­nliche Geschöpfe entstehen. Die Figuren in ihrem Garten sind lebensgroß – egal ob sie rufen, zuhören oder als Erinnerung­en an Afrikareis­en entstanden sind. Die drei Ste len von Sailers Werk „Die Paar...
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany