Friedberger Allgemeine

Schlichtun­g oder Schiedsver­fahren?

Streitigke­iten müssen nicht unbedingt vor Gericht

- VON SABINE MEUTER

Lärmbeläst­igung, Küchengerü­che oder über den Gartenzaun hängende Äste und Zweige – Gründe für Streit mit Nachbarn gibt es viele. Nicht selten landen solche Fälle vor Gericht. „Solche Streitigke­iten gehören aber nicht primär vor ein staatliche­s Gericht“, sagt Bodo Winter vom Bund Deutscher Schiedsmän­ner und Schiedsfra­uen (BDS). Winter verweist auf das E in führungs gesetz zur Zivilproze­ssordnung. Dar ausgeht hervor, dass etwa bei Nachbar schafts konflikten erst dann Klage erhoben werden kann, wenn von einer nach Landesrech­t anerkannte­n Gütestelle versucht wurde, den Konflikt einvernehm­lich beizulegen. Diese Regelung ist in zehn Bundesländ­ern obligatori­sch. Zwei Länder – Berlin und Thüringen–haben zwar ebenfalls entspreche­nde Landes gesetze, aber dorti stein Schli ch tungs verfahren in Nachbar rechtsstre­itigkeiten nicht zwingend vorgeschri­eben. Keine Regelungen gibt es in Bayern, Baden-Württember­g, Hamburg und Bremen. „Schli ch tungsv erfahren haben den Vorteil, dass in vielen Fällen schnell und unbürokrat­isch eine Lösung erzielt werden kann“, sagt Winter. Das Verfahren kostet im Schnitt 50 Euro. Somit ist es oft mit Abstand billiger als ein Gerichtspr­ozess. Geleitet wird ein Schlichtun­gsverfahre­n durch ehrenamtli­che Schiedsleu­te. „Oft handelt es sich bei ihnen um juristisch­e Laien, die in der jeweiligen Kommune gewählt, von den Gerichten ernannt und vom Verband Deutscher Schiedsmän­ner und Schiedsfra­uen geschult werden“, sagt Winter.

Gespräch am runden Tisch

Die Arbeit von Schlichtun­gsstellen ist staatlich anerkannt. Das Ordnungsam­t, die Polizei oder das Amtsgerich­t können Adressen von Schiedsleu­ten benennen. Bei einem Vorgespräc­h wird ausgelotet, ob ein Schiedsman­n oder eine Schiedsfra­u für einen Fall zuständig ist. Ist dies der Fall, muss ein Antrag auf ein Schlichtun­gsverfahre­n gestellt werden. In der Verhandlun­g sitzen die Streitpart­eien mit der Schiedsper­son an einem Tisch. Scheitert die Konfliktlö­sung, haben die Parteien immer noch die Möglichkei­t, vor Gericht zu ziehen. Wer als Verbrauche­r Rechte gegenüber einem Unternehme­r geltend machen möchte, muss ihn nicht gleich verklagen – er kann sich kostenlos an eine Verbrauche­rschlichtu­ngsstelle wenden. Daneben gibt es eine Allgemeine Verbrauche­rschlichtu­ngsstelle. Allerdings können dorthin längst nicht alle Anliegen gerichtet werden. Arbeitsver­tragliche Streitigke­iten etwa sind ausgeschlo­ssen. Eine weitere Form der außergeric­htlichen Streitbeil­egung istdi eS chieds gerichtsba­rkeit (SGK). „Am wichtigste­n ist die Handels schiedsger­icht barkeit. Das Besondere ist, dass die Parteien sich die Schiedsric­hter und das einzuhalte­nde Schiedsver­fahren selbst aussuchen können“, sagt ein Sprecher des Bundesmini­steriums für Justiz und Verbrauche­r schutz. Ein SGK-Verfahren wird oft bei einem Konflikt zwischen zwei Unternehme­n aus unterschie­dlichen Staaten eingeleite­t, erklärt der Berliner Jura-Professor Gerhard Wagner.

Abseits der Öffentlich­keit

Bei einem Schiedsver­fahren wird die Vertraulic­hkeit gewahrt. Denn anders als bei einem staatliche­n Gericht findet die Verhandlun­g hinter verschloss­enen Türen statt. „Das kommt Unternehme­n entgegen, die keine Geschäftsi­nterna in der Öffentlich­keit ausbreiten wollen“, so Wagner. Am Ende des Verfahrens steht ein Schiedsspr­uch. Er kann in Deutschlan­d und im Ausland vollstreck­t werden. „Kommt es zu einer einvernehm­lichen Lösung, dann können die Geschäftsb­eziehungen oft unbelastet­er fortgeführ­t werden als nach einem Prozess“, so Wagner.

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Foto: Monique Wüstenhage­n/tmn Ein Streit muss nicht immer vor Gericht landen. Manchmal bieten sich auch Schlichtun­gsverfahre­n an.

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