Friedberger Allgemeine

Eine Woche mit großen Begegnunge­n

- VON RICHARD MAYR Die Kultur Kolumne

Auch in den Künsten finden sich Menschen, die ihre Arbeit eher als Beruf denn als Berufung begreifen. Nicht jeder Regisseur zum Beispiel, der ein Stück angeboten bekommt, sagt „Nein“, auch wenn er weiß, dass er nichts damit anfangen kann. Es geht ja immer auch ums Geld. Bei einem Probenbesu­ch der Inszenieru­ng von Bertolt Brechts „Die Maßnahme“, mit der das Brechtfest­ival in einer Woche eröffnet wird, bei diesem Probenbesu­ch hingegen war ein Regisseur zu erleben, der entflammt ist von seinem Thema. Für Selcuk Cara hat die Begegnung mit Bertolt Brecht existenzie­lle Züge angenommen, weil dieser Brecht den Blick auf Caras Leben verändert. „Hätte ich ihn früher so intensiv gelesen, hätte ich mir einige Erfahrunge­n sparen können“, hat Cara gesagt.

Man spürt in solchen Augenblick­en, welche Wucht und Kraft Begegnunge­n zwischen Künstlern – hier zwischen Bertolt Brecht und dem Opernsänge­r, Filmemache­r, Autor und Regisseur Selcuk Cara – haben können. Und man ahnt gleichzeit­ig, welche Offenheit solche Begegnunge­n erfordern. Sich als Mensch von einem anderen Menschen im Denken, im Wahrnehmen, am Ende auch im Tun so umkrempeln zu lassen, erfordert Mut, erfordert die Entschloss­enheit, lieb gewonnene Gedanken und Gewohnheit­en aufzugeben.

Ein Maximum an Entschiede­nheit bei einer Begegnung brachte der französisc­he Schriftste­ller Charles Baudelaire auf. Der war in den 1850er Jahren geradezu besessen von dem amerikanis­chen Schriftste­ller Edgar Allen Poe. Für Baudelaire war Poe eine künstleris­che Rettung, der Amerikaner machte Schluss mit der Romantik und dem Fortschrit­tsglauben der Menschen. Und jetzt wird dieser beispiello­sen Begegnung von Poe und Baudelaire von Augsburg aus ein weiteres Kapitel hinzugefüg­t. Der Schriftste­ller und Übersetzer Andreas Nohl hat den ersten Band von Baudelaire­s PoeAusgabe übersetzt. Das Buch erscheint Mitte März.

Und da sei jetzt noch einmal an dieses wunderbare Zitat von Franz Kafka erinnert: „Ich glaube, man sollte überhaupt nur solche Bücher lesen, die einen beißen und stechen. Wenn das Buch, das wir lesen, uns nicht mit einem Faustschla­g auf den Schädel weckt, wozu lesen wir dann das Buch? Damit es uns glücklich macht? … Wir brauchen aber die Bücher, die auf uns wirken wie ein Unglück, das uns sehr schmerzt“. ***

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