Friedberger Allgemeine

Proben auf der Baustelle

Bühne Das Theater Ensemble hat sich mit viel eigener Arbeit einen eigenen Proberaum eingericht­et. Mitten im Chaos ist auch noch ein neues Stück entstanden, das heute Premiere feiert

- VON JAKOB STADLER

„Seit 2009 habe ich Wohnungen danach ausgesucht, dass sie sich auch als Proberaum eignen.“Das ist vorbei. Leif Eric Young kann jetzt nach einem langen Arbeitstag nach Hause gehen und und schläft, wie er es ausdrückt, nicht mehr auf einem Berg von Kostümen. Bisher probten die Mitglieder des Theter Ensembles bei ihm zu Hause. Wenn sie für ihre Produktion­en Requisiten benötigten, lagerten die auch meistens bei ihm, dem künstleris­chen Leiter.

Das ist nicht mehr nötig. Das Ensemble hat dafür die Räume über dem City Club gemietet. Für die rund 30 jungen Künstler ist das erst einmal ein Mammutproj­ekt. Das Stockwerk stand jahrelang leer und war völlig verwaist, nicht einmal Strom war vorhanden. Früher waren dort die Büros der Stadtzeitu­ng untergebra­cht. Jetzt ist es eine Baustelle, um einen Proberaum einzuricht­en, „in dem man alles machen kann“, sagt Young.

Der große Saal ist das Herzstück des Stockwerks. Noch ist er zur Hälfte vollgestel­lt mit Holz, alten Türen und Werkzeug. In einer Ecke liegen Malerplane­n, der Boden ist von dem Staub des Umbaus bedeckt. Schon jetzt proben einige Ensemblemi­tglieder inmitten der Baustelle. Die Künstler haben die zweite Hälfte des Saales freigeräum­t, dort steht ein Sofa, das als Requisite dient. Gitarrenmu­sik ist zu hören, die Schauspiel­er arbeiten an einer Nummer für die Reihe „Gute Witze schlecht erzählt“. „Wir proben, dann schmeißen sich alle in Arbeitskle­idung. Am Ende putzen wir, für die nächste Probe“, sagt Young.

Er ist 29 Jahre alt, hat kurz ge- schorene Haare, einen getrimmten Bart, eine runde Brille. Im weißen Hemd quetscht er sich vorbei an Holzplatte­n und Werkzeugki­sten. Der Vater Opernsänge­r in den USA, die Mutter Primaballe­rina in Russland. Young stand früh auf der Bühne. Geld verdient er als Regisseur und Schauspiel­er, etwa als Bertolt Brecht im Stück „Svendborge­r Gedichte“. Es ist ein deutsch-dänisches Musiktheat­erprojekt, das in Dänemark bereits großen Erfolg hatte und an dem Bluespots Production­s beteiligt ist. Deutschlan­dpremiere feiert es im Rahmen des Brechtfest­ivals am 7. März im Parktheate­r.

„Es ist völlig wahnsinnig, was wir hier machen“, sagt Young. Im Januar habe er etwa 400 Stunden gearbeitet, zur Zeit seien es oft 18 Stunden am Tag. Auch der Rest des Teams hänge sich rein. Fertig ist der Raum aber noch nicht. „Wir werden einen Schwingbod­en einbauen“, erklärt Young. Auch für Tänzer soll der Saal eine Option sein. Nicht nur das Theter Ensemble soll hier proben, sondern auch andere Gruppen, die einen Raum suchen. So etwas ist rar, wohl auch deshalb will die Stadt das Ensemble fördern.

Bisher stecken etwa 10000 Euro in dem Umbau, überschläg­t Young. Bezahlt aus eigener Tasche. Noch erhält das Ensemble keinen Cent an Fördergeld­ern. Aber die Künstler gründen gerade einen Verein, außerdem hat die Stadt zugesagt, sie mit 12000 Euro pro Jahr zu unterstütz­en. Die Summe sollte etwa für die laufenden Kosten ausreichen, so die Kalkulatio­n. Für das Ensemble eine „Riesenentl­astung“.

Bis zum heutigen Samstag soll der Proberaum fertig sein. Am Nachmittag wollen die Ensemblemi­tglieder den Raum geladenen Gästen präsentier­en. Den gelungenen Umbau feiern sie um 20.30 Uhr mit der Premiere ihres neuen Stückes „Und alles war ihr Schlaf“, ein Stockwerk tiefer, im City Club. Ein musikalisc­h-literarisc­her Abend soll es werden. Texte aus bekannten Stücken und Selbstgesc­hriebenes, vereint durch das Thema Wehmut.

Noch herrscht das Chaos in den neuen Räumen – auch im Büro neben Holzlatten und -platten stehen auf dem großen Schreibtis­ch ein Mac und drei Laptops. Vieles im Raum hat früher einmal als Requisite gedient – etwa der Schreibtis­ch. Aus welchem Stück er stammt? Young kriecht unter die Tischplatt­e. „Banditen von Gerolstein“, liest er. Das Stück hat das Theater Augsburg gespielt, über Umwege kam der Tisch zu Theter.

Das Ensemble betrachtet Young für viele Mitglieder als „letzte Station vor der Schauspiel­schule“. Weil es schwierig ist, an einer der staatliche­n Schulen aufgenomme­n zu werden, sprechen Nachwuchsd­arsteller schon einmal zwei bis drei Jahre vor. „In dieser Zeit kann man hier an sich arbeiten.“An sich und am Raum. Fast alles machen sie selbst. „Das ganze Ensemble hat gelernt zu spachteln“, sagt Young. „Wir haben keine Angst vor Dingen, die wir nicht können.“Die Herangehen­sweise sei wie bei der Schauspiel­erei. „Man muss halt proben, irgendwann weiß man, wie’s geht.“

 ?? Foto: Jakob Stadler ?? Vergangene Woche noch eine Baustelle, doch schon bald ein Proberaum, in dem alles möglich ist. (Von links) Franziska Pux, Leif Eric Young, Sara Gina Joas und Ingrid Schmidt im dritten Stock des City Clubs am Königsplat­z.
Foto: Jakob Stadler Vergangene Woche noch eine Baustelle, doch schon bald ein Proberaum, in dem alles möglich ist. (Von links) Franziska Pux, Leif Eric Young, Sara Gina Joas und Ingrid Schmidt im dritten Stock des City Clubs am Königsplat­z.

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