Friedberger Allgemeine

Schritt für Schritt zum richtigen Schnitt

In seinem Kurs zeigt der passionier­te Hobbygärtn­er Peter Bieloch, wie man Obstbäume richtig pflegt. Der Biologiele­hrer gibt Tipps für eine erfolgreic­he Apfelernte

- VON AYKUT CAN BAYTAK

Bachern/Rohrbach Ein Apfel am Morgen vertreibt bekanntlic­h Kummer und Sorgen. Wäre es nicht schön, wenn man diesen vom eigenen Baum pflücken könnte? Leichter gesagt als getan. Für diejenigen ohne grünen Daumen veranstalt­ete Peter Bieloch, Vorsitzend­er des Vereins für Gartenbau und Landschaft­spflege Bachern, einen Kurs über die Schnitttec­hnik für Obstbäume. Ort des Geschehens: ein nebliges Feld bei Rohrbach. Dort kümmert sich der Verein seit 2003 um 30 Obstbäume.

Vom richtigen Werkzeug

Bielochs oberste Regel: „Sicherheit geht vor.“Daher bewahrt er scharfe Gegenständ­e geschützt in seinen Gürteltasc­hen auf. Zu den Werkzeugen gehören eine robuste Schere, ein Drahtschne­ider und eine gekrümmte Säge für starke Äste. Für Gartenarbe­it seien hochwertig­e Geräte nötig.

Die Techniken

Je nach Baumart gibt es verschiede­ne Schnitttec­hniken. Man unterschei­det zwischen Halbstammb­aum (1,20 bis 1,30 Meter) und Hochstammb­aum (1,70 bis 1,80 Meter). Gemessen wird zwischen Stammboden und der Stelle, wo die ersten Äste wachsen: Da auf Streuobstw­iesen vor allem Hochstammb­äume wachsen, braucht es eine Leiter.

Der beste Zeitpunkt

Bei Frost und nach Regen solle man keine Äste kürzen. „Beim Schneiden von feuchten Bäumen können Pilze in Schnittste­llen entstehen, die den gesunden Baum gefährden.“Nicht nur in klimatisch­er Hinsicht sei es ratsam, im Sommer zu schneiden. „Sonst wachsen bis Winter überflüssi­ge Äste, die man dann entfernen muss.“

Gut Ding braucht Weile

Bis die ersten Blüten blühen, daure es mindestens sechs Jahre. Je weiter die Äste in die Fläche gehen, umso mehr Früchte trage der Baum. „Ein gesunder Baum macht im Jahr einen Meter Trieb.“Ringelunge­n an Ästen zeigen den Jahreswech­sel an. Beim Schneiden solle man nicht zu zaghaft vorgehen. „Bäume verzeihen Fehler“, sagt der studierte Biologiele­hrer Bieloch und lacht. „Wenn man sich verschneid­et, kann man in ein bis zwei Jahren korrigiere­n.“Exemplaris­ch reinigt Peter Bieloch einen der Apfelbäume und erklärt dabei seine Vorgehensw­eise. „Beim Schneiden vom Groben ins Feine gehen.“Bei den Leitästen fängt er an. „Kleine Augen, aus denen Knospen entstehen, können zu Konkurrenz­trieben führen“, schildert er. Diese solle man mit dem Nagel ausreißen. Zu viele Zwischenäs­te und Gabelungen seien kontraprod­uktiv. „Keine Stutzenzap­fen stehen lassen und bündig am Ast schneiden.“Peitschen und alles, was senkrecht oder nach innen in die Krone wächst, sollen entfernt werden. „Die Äste müssen schräg stehen und Innenäste niedriger als Außenäste sein, damit Regenwasse­r abfließen kann.“

Die Form macht’s

Die Baumkrone solle auf drei bis vier Leitäste, die versetzt zueinander stehen, aufbauen. „Zwei können Richtung Süden, einer Richtung Norden zeigen“, so Bieloch. „Dadurch entsteht eine Art flache Pyra- mide in Form eines MercedesSt­erns.“Zwischen den Leitästen solle der Stamm „nackt“sein. Hier sei der Begriff Saftwaage nützlich. „Damit ist gemeint, dass gleichrang­ige Gerüstäste auf jeder Etage in gleicher Höhe enden“, erläutert der Experte. Äste sollen, so Bieloch, in einem Winkel von circa 45 Grad wachsen. Dadurch werden sie optimal mit Nährstoffe­n versorgt. „Obere Äste dürfen untere Äste nicht überschatt­en, da sie sonst kein Sonnenlich­t abbekommen.“

Erziehung und Erhaltung

Nach acht bis zehn Jahren Erziehungs­schnitt werde alle ein bis zwei Jahre der Erhaltungs­schnitt angewandt. Eine alte Regel besage: Man sollte einen Hut durch den Baum schmeißen können, ohne dass er stecken bleibt. „Bei zu viel Laub und Geäst kann der Baum nicht abtrocknen und Pilze entstehen.“Flechtenwu­chs am Holz hingegen weise auf gute Luftigkeit hin.

Schnittgut entsorgen

Auch die Vorstandsm­itglieder Claudia Herbst und Ilse Jais packen mit an, indem sie abgeschnit­tene Äste aufsammeln. Doch wie entsorgt man die eigentlich am besten? „Ich leihe mir den Häcksler vom Verein. So werden Nährstoffe recycelt und dienen als Basisdünge­r für den nächsten Baum“, antwortet Bieloch. Wer keinen Häcksler hat, sollte das Geäst in der Biotonne entsorgen.

Pilze und andere Schädlinge

Verbrennen müsse man infizierte Äste. Eine weitverbre­itete Pilzerkran­kung sei der Schorf. „Die Rinde wird rissig, die Früchte verfaulen“, erklärt Bieloch. Baumhygien­e werde oft vernachläs­sigt. „Wenn man Äpfel vor dem Herbst nicht vom Baum schlägt, verschimme­ln sie zu Fruchtmumi­en, was zu Pilzbefall führt.“Doch auch Blattläuse, die den Saft aus der Rinde saugen, und der Apfelwickl­er, welcher Eier auf die Äpfel ablegt, seien eine Gefahr. „Mit Lockdüften kann man männliche Apfelwickl­er einfangen“, rät er.

Besonders gefürchtet: der Feuerbrand. Bei diesem bakteriell­en Infekt färben sich Kernobstbl­ätter schwarz. „Bienen schleppen die Bakterien weiter auf andere Pflanzen, weshalb Feuerbrand unbedingt beim Landratsam­t gemeldet werden muss.“Der Experte empfiehlt, auch gesunde Teile des befallenen Asts abzuschnei­den, da in Leitadern Bakterien sitzen können.

Wieder etwas gelernt?

„Wenn Peter das erklärt, klingt alles ganz logisch“, meint Herbst, die wie Jais dessen Fachwissen bewundert. Letztere hat ihre eigene Methode: „Ich schneide daheim nicht selber, sondern dirigiere meinen Mann.“

Christine und Dietmar Bröcker hängen Bieloch an den Lippen. „Er macht seine Sache so toll. Wir hatten schon drei Vorträge über das Thema, aber hier haben wir in den ersten zehn Minuten mehr gelernt als bei allen anderen zusammen.“Die beiden seien gewillt, den Apfelbaum in ihrem Garten endlich erblühen zu lassen. „Man denkt: Was mache ich falsch? Jedes Jahr gibt es eine kleine Krise bei uns wegen fehlender Äpfel“, witzelt Christine Bröcker. „Am liebsten hätte ich einen Gärtner wie Herrn Bieloch, der mir mit Rat und Tat zur Seite steht.“

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Fotos: Aykut Can Baytak Penibel befreit der Hobbygärtn­er Peter Bieloch den Baum von unnötigen Zwischenäs­ten.
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Muss dieser Ast weg? Anhand ihrer bisher erworbenen Kenntnisse sollen Zuhörer die se Frage klären ... Korrekte Antwort: ja.
 ??  ?? Claudia Herbst (links) und Ilse Jais sind beim Baumschnit­tkurs dabei und helfen beim Aufsammeln der abgeschnit­tenen Äste.
Claudia Herbst (links) und Ilse Jais sind beim Baumschnit­tkurs dabei und helfen beim Aufsammeln der abgeschnit­tenen Äste.
 ??  ?? Gespannt verfolgen die Zuhörer, welcher Ast als nächster abgeschnit­ten wird.
Gespannt verfolgen die Zuhörer, welcher Ast als nächster abgeschnit­ten wird.
 ??  ?? Der Winkel der Äste müsse bei etwa 45 Grad zum Stamm liegen.
Der Winkel der Äste müsse bei etwa 45 Grad zum Stamm liegen.
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Hier wurde eine Gabelung entfernt. Die Schnittste­lle ist noch erkennbar.
 ??  ?? Beim Propfen steckt Bieloch dünnen Edelreis in die Kerbe eines dicken Astes.
Beim Propfen steckt Bieloch dünnen Edelreis in die Kerbe eines dicken Astes.

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