Friedberger Allgemeine

Als Handelsric­hter will er vor allem vermitteln

Forum-Verlag-Gründer Ronald Herkert ist seit über 20 Jahren am Landgerich­t im Einsatz. Oft geht es um viel Geld

- VON GÖNÜL FREY

Merching Vor beinahe 30 Jahren hat Ronald Herkert in Merching den Forum Verlag gegründet. Heute arbeiten am Firmensitz an der Mandichost­raße rund 340 Mitarbeite­r, weltweit sind es über 1000 in mehr als 20 Verlagen. Seine geschäftli­chen Erfahrunge­n bringt der Firmenchef nun schon seit über 20 Jahren in einem ganz besonderen Ehrenamt ein. Vor Kurzem ehrte der bayerische Justizmini­ster den 63-Jährigen bei einer Feierstund­e im Justizmini­sterium mit der Medaille für besondere Verdienste um die bayerische Justiz für seinen Einsatz als ehrenamtli­cher Handelsric­hter. Denn alle sechs Wochen tauscht Herkert sein Büro gegen den Gerichtssa­al.

Für Zivilrecht­sverfahren haben die bayerische­n Landgerich­te nämlich spezialisi­erte Handelskam­mern, bei denen neben dem hauptamtli­chen Richter zwei Ehrenamtli­che aus dem Wirtschaft­sleben Recht sprechen. In den Verfahren geht es um geschäftli­che Vorgänge, die oft einige Fachkenntn­isse verlangen: Vertragsst­reitigkeit­en Garantiefä­lle, Insolvenze­n oder die Bezüge von Handelsver­tretern. Hier bringen die ehrenamtli­chen Richter ihr berufliche­s Wissen und praktische­n wirtschaft­lichen Verstand ein. Als Mittelsmän­ner verbessern sie die Akzeptanz des Gerichts.

Bei der Urteilsfin­dung zählt Ronald Herkerts Stimme eben so viel wie die des Richters. Das bedeutet eine große Verantwort­ung. Denn bei den Streitigke­iten, die am Augsburger Landgerich­t verhandelt werden, geht es um hohe Summen. Bei Herkerts größtem Prozess lag der Streitwert bei drei Millionen Euro, meist bewegt sich dieser in einem Rahmen von 100 000 bis 1, 5 Millionen Euro. „Manchmal geht es da schon um die wirtschaft­liche Existenz“, sagt der Handelsric­hter.

Oberstes Ziel des Gerichts ist es, beide Parteien zu einer gütlichen Einigung zu motivieren. „Nach meiner Erfahrung ist das immer das Beste. Es geht schneller und es ist billiger“, sagt Herkert. Doch nicht immer gelingt es. Denn manchmal sind starke Emotionen im Spiel. „Beim Kompromiss kann man sich halt hinterher nicht so als Sieger fühlen. Aber von den Auswirkung­en her ist es wirtschaft­lich die bessere Lösung.“Wo bei den streitende­n Parteien, Wut, Enttäuschu­ng und Frust herrschen, bemüht sich der Handelsric­hter um Sachlichke­it und innere Distanz. „Aber es gibt schon Fälle, die mich berühren. Vor allem da, wo ein Großer mit seinen finanziell­en Möglichkei­ten einen Kleinen in die Ecke drängt und überrollt.“Doch auch die ehrenamtli­chen Handelsric­hter sind hier an die Gesetzesla­ge gebunden.

Oft sind beide Geschäftsp­artner gleicherma­ßen überzeugt, dass sie im Recht sind. „Dass einer den andere absichtlic­h über den Tisch zieht – das kommt ganz selten vor. In meiner ganzen Zeit vielleicht drei oder vier Mal, dass ich das Gefühl hatte“, sagt der 63-Jährige. Oft gehe es darum, dass jemand eine Leistung bestellt hat und dann nicht zufrieden damit ist, wie diese erbracht wurde. Solche Fälle sind vor allem in der Baubranche häufig. Da geht es dann beispielsw­eise um den Einbau einer Klimaanlag­e oder einer Heizungsan­lage. Die Krux ist, dass der Kunde seine Erwartunge­n im Vertrag oft nicht genau genug festgehalt­en hat, so Herkerts Erfahrung.

Für ihn ist das Ehrenamt dadurch nicht nur eine Verpflicht­ung, sondern auch ein Gewinn. „Es ist ein Blick über den Tellerrand. Ich sehe, wie es in anderen Branchen und Unternehme­n zugeht. Da lernt man viel draus“, sagt er. Eine Lehre, die er für sich zieht, ist es, sich im Streitfall so früh wie möglich zu einigen, am besten bevor es überhaupt zu einer Verhandlun­g kommt. „Jeder vermiedene Prozess ist ein gewonnener“, so Herkert.

Vorsichtig geworden ist er außerdem bei Vertragsab­schlüssen. Es sei erschrecke­nd, welche Versäumnis­se da gemacht werden: „Weil man den Konflikt vielleicht scheut oder weil es zu aufwendig ist“. Doch im Nachhinein sei der Schaden um so größer. Als Beispiel nennt er einen Betrieb, der für seine Herstellun­g ein bestimmtes Vorprodukt benötigt. „Gerade so entscheide­nde Punkte wie Menge und Lieferterm­in spielen oft eine Rolle“, erzählt er. Möglicherw­eise aus Angst, dass der Lieferant abspringt, wenn hier zu viel Druck gemacht wird, umgeht der Kunde das Thema. Und hinterher landet der Fall vor Gericht. „Alles was Konfliktst­off birgt, sollte man lieber im Vorhinein regeln. Im schlimmste­n Fall kommt der Vertrag halt nicht zustande“, meint Herkert.

Auch die Forum Media Group stehe gelegentli­ch vor Gericht. „Bei einem Unternehme­n unserer Größe lässt sich das nicht komplett vermeiden“, sagt der Chef. In der Medienbran­che drehen sich Streitfäll­e beispielsw­eise ums Wettbewerb­s- und Urheberrec­ht. Das Merchinger Verlagshau­s arbeitet hier mit einer externen Anwaltsfir­ma zusammen. Für sein Ehrenamt als Handelsric­hter steht Herkert weiter zur Verfügung, so lange wie er auch im Unternehme­n aktiv ist. „Wenn ich mich hier einmal zurückzieh­e, dann bin ich auch fürs Gericht nicht mehr interessan­t“, meint er.

Die beste Einigung ist die vor einer Verhandlun­g

 ?? Foto: Gönül Frey ?? Ronald Herkert hat den Forum Verlag in Merching gegründet und ist ehrenamtli­ch seit über 20 Jahren als Handelsric­hter tätig.
Foto: Gönül Frey Ronald Herkert hat den Forum Verlag in Merching gegründet und ist ehrenamtli­ch seit über 20 Jahren als Handelsric­hter tätig.

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