Friedberger Allgemeine

André Heller hat Grund zum Feiern

Jubiläum Dichter, Sänger, Ideengeber: Österreich­s Künstler-Faktotum hat etwas zu feiern

- VON MARIELE SCHULZE BERNDT

Wien André Heller wurde vor Jahrzehnte­n als Sänger poetischer und versponnen­er Lieder bekannt. Heute sind er und seine vielfältig­en Projekte eine Marke. Der Wiener Großbürger wird für seine Grandezza und seine Unabhängig­keit geliebt. Seinen 70. Geburtstag an diesem Mittwoch verbringt der Künstler jedoch nicht in Wien, sondern in Marokko. Zwischen Marrakesch und dem Atlasgebir­ge ließ er seinen Paradiesga­rten „Anima“anlegen. Gärten seien „das Nachhaltig­ste“im Leben, sagt er. Die Bäume, Sträucher und Blumen überdauert­en die Lebenszeit eines Menschen und inspiriert­en durch ihre Schönheit Generation­en. In Marokko hat er, wie er selbst bekundet, sein wirkliches Zuhause gefunden, in dem sich auch seine Lebensgefä­hrtin, sein Sohn und sein Enkel wohlfühlen. Und er selbst sich immer noch „ziemlich fähig, wach und belastbar“fühlt.

André Heller wurde am 22. März 1947 in eine jüdische Süßwaren-Fabrikante­nfamilie hineingebo­ren. Mit Zuckerln machte sein Vater ein Vermögen, floh vor den Nazis nach Paris und überlebte dort. Sohn André besuchte neben Wiener Schulen auch ein Jesuitenin­ternat in Altaussee. In Wien traf er im Café Hawelka Dichter wie Elias Canetti, Friedrich Torberg, H.C. Artmann und den Schauspiel­er Helmut Qualtinger. Von ihnen inspiriert und mit einem starken Hang zu Bildern und fantastisc­hen Inszenieru­ngen, begann er selbst seine künstleris­che Karriere als Dichter, Sänger, Aktionskün­stler, Kulturmana­ger und schließlic­h politisch bewusster Citoyen. „Er war manchmal ziemlich unerträgli­ch“, sagt die Präsidenti­n der Salzburger Festspiele, Helga Rabl-Stadler, über ihn. „Aber er hat Wien entstaubt.“Heute sei der inzwischen weißhaarig­e und immer noch bärtige Charismati­ker kein Provokateu­r mehr, sondern Inspirateu­r geworden.

1974 erschien Hellers erster Gedichtban­d als Taschenbuc­h mit dem Titel „Sie nennen mich den Messerwerf­er“. Mehr als ein Dutzend Platten machten ihn bekannt. Als er vor einigen Jahren viele der alten Lieder und einige neue in einem Album herausbrac­hte, nannte er sein OpenAir-Konzert in Bochum 1983 den Höhepunkt seiner Gesangskar­riere. Kurz danach hat er diese ebenso beendet wie seine Ehe mit der Schauspiel­erin Erika Pluhar. Mit dem Zirkus Roncalli, dem poetischen Varieté Flic Flac und anderen Shows brachte er sich manchmal an den Rand des finanziell­en Ruins. 1995 konzipiert­e er im Auftrag des Tiroler Kristallhe­rstellers Swarovski die „Kristallwe­lten“in Wattens. Später entwarf er den Fußballglo­bus und das Kulturprog­ramm für die Fußballwel­tmeistersc­haft in Deutschlan­d 2006 samt Motto „Die Welt zu Gast bei Freunden“.

Heute engagiert sich Heller für die österreich­ischen Sozialdemo­kraten. Er gab den Anstoß zu einer internatio­nalen Bürgermeis­terkonfere­nz zum Thema „Geflüchtet­e Kinder“und setzte sich im Bundespräs­identenwah­lkampf für den unabhängig­en Ex-Grünen Alexander Van der Bellen ein. Die Wiener zollen ihm Respekt. Seine Lieder werden neu arrangiert und gesungen. Er gilt als ein liebenswür­diger Narziss, dem es nachgesehe­n wird, wenn er Firmen in der Schweiz erklären und hohe Steuernach­zahlungen leisten muss. Einer seiner Freunde charakteri­siert ihn so: „In seiner Jugend wollte er unbedingt berühmt werden. Jetzt ist er es und leidet darunter.“

Neues Buch von André Heller: Uhren gibt es nicht mehr – Gespräche mit meiner Mutter in ihrem 102. Le bensjahr. Zsolnay, 112 S., 18 ¤

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Foto: Christian Bruna, dpa Zwischen Österreich und Marokko: André Heller.

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