Das Leiden der Kinder
Eine neue Studie warnt vor den Gefahren, die in Flüchtlingsunterkünften lauern
Berlin Kaum Privatsphäre, unzureichende hygienische Bedingungen und fehlender Schutz vor Übergriffen – so sieht das Leben in vielen Flüchtlingsunterkünften aus. Darunter leiden vor allem Kinder. Das ist das Ergebnis einer am Dienstag in Berlin vorgestellten Unicef-Studie, für die 447 haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiter von Flüchtlingsunterkünften befragt wurden. In den vergangenen zwei Jahren kamen etwa 350000 Kinder und Jugendliche in Begleitung ihrer Eltern nach Deutschland, um hier Schutz vor Krieg und Gewalt oder einfach bessere Lebensbedingungen zu suchen. Flüchtlingsunterkünfte sind für die meisten zunächst der zentrale Lebensmittelpunkt.
Doch Adam Naber vom Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge und Mitautor der Studie sagt: „Viele Unterkünfte sind keine kindgerechten Orte.“Die Mädchen und Jungen leben dort mit vielen fremden Menschen auf engem Raum, ohne Ruhe zum Spielen und Lernen zu haben.
Baulich seien viele Unterkünfte nicht familiengerecht: Aufenthaltsräume für Kinder und Jugendliche fehlen häufig, die gemeinschaftlich genutzten Sanitär- und Waschräume sind oft in schlechtem Zustand. Weder Zimmer noch Sanitäranlagen sind abschließbar – das bedeutet für Kinder oft Stress. 22 Prozent der Befragten gaben zudem an, dass Kinder und Jugendliche in ihren Einrichtungen schon Zeuge von Gewalt geworden sind. Zehn Prozent berichteten, dass Kinder selbst Opfer wurden. Die Dunkelziffer dürfte den Studienautoren zufolge deutlich höher sein. „Bei den Familien entsteht so ein permanentes Unsicherheitsgefühl, das die Kinder als Bedrohungssituation wahrnehmen“, sagt Naber.
Christian Schneider, Geschäftsführer von Unicef Deutschland, sagt: „Der Alltag der Kinder in Flüchtlingsunterkünften ist geprägt von Tristesse und Warten. Warten darauf, dass endlich ihre Zukunft beginnt.“Unicef fordert, dass Kinder und Jugendliche nur so kurz wie möglich dort unterkommen. Zudem sollten Unterkünfte familien- und kindgerechte Standards erfüllen und Flüchtlingskinder schnellstmöglich Zugang zu Schulen und zur Kindertagespflege erhalten – unabhängig von ihrem Herkunftsland oder dem Status im Asylverfahren.