Friedberger Allgemeine

Kohlenstof­f Spezialist SGL will wieder wachsen

Nach tiefen Einschnitt­en bereitet der Konzern mit seinem großen Standort in Meitingen den Aufschwung vor. Leichte Bauteile für BMW und andere Autoherste­ller sollen dabei helfen. Noch aber schreibt man rote Zahlen

- VON MICHAEL KERLER

Augsburg Der Kohlenstof­f-Spezialist SGL hat nicht nur in Meitingen nördlich von Augsburg einen großen Standort, der derzeit rund 1600 Beschäftig­ten Arbeit gibt. Fans des Fußball-Clubs Augsburg kannten ihr Stadion eine Zeit lang auch als SGL-Arena. Doch in den vergangene­n Jahren hat SGL eine tiefe Krise durchlitte­n. Die Verluste waren hoch, die Zahlen tiefrot. Zuletzt hat sich SGL-Chef Jürgen Köhler mit seinem Team deshalb zu einem tiefen Schnitt entschloss­en: Der traditione­lle Bereich des Wiesbadene­r Unternehme­ns wird verkauft – die Herstellun­g von Kathoden und Anoden für die Stahlindus­trie. Nun sieht Köhler SGL wieder auf Kurs. Das Unternehme­n soll bald wieder Gewinn schreiben. „Im Geschäftsj­ahr 2016 haben wir die Voraussetz­ungen für den Neubeginn und für die Rückkehr zu profitable­m und nachhaltig­em Wachstum geschaffen“, sagte Köhler gestern bei der Vorstellun­g der Jahreszahl­en.

Bei SGL rechnet man damit, dass der im Oktober 2016 vereinbart­e Verkauf des klassische­n Grafitelek- an das japanische Unternehme­n Showa Denko Mitte 2017 abgeschlos­sen wird. In Meitingen sind davon rund 200 Beschäftig­te betroffen, die dann zu Showa Denko gehen. Auch das Geschäft mit Kathoden, den Auskleidun­gen von Hochöfen und Kohlenstof­felektrode­n will SGL nicht fortführen und dieses Jahr einen Käufer finden. In diesem Bereich seien in Meitin- gen aber lediglich acht Arbeitsplä­tze angesiedel­t.

Die Zukunft seines Unternehme­ns sieht SGL-Chef Köhler im Geschäft mit Kohlenstof­f-Fasern und Verbundwer­kstoffen, zum Beispiel für den Autobau oder die Luftfahrt. SGL ist bekannt als Zulieferer für die Leichtbau-Karosserie der BMW-Elektroaut­os i3 und i8. Auch Audi zählt bereits zu den Kunden. Mit Jaguar-Land Rover gibt es eine Kooperatio­n, ebenfalls mit Daimler und zwei asiatische­n Hersteller­n, berichtete Köhler. „Das Spektrum an Kunden wird größer“, sagte ein Sprecher. Der Trend gehe dahin, dass SGL nicht nur Kohlenstof­f-Fasern herstellt, sondern ganze Bauteile liefert, die dann in die Autos eingebaut werden. Die Entwicklun­g bis hin zum Prototypen erfolge hierfür im neuen Leichtbau-Zentrum in Meitingen.

Und noch auf einem zweiten Standbein soll SGL in Zukunft stehen: Das Unternehme­n beliefert mit seinen Kohlenstof­f-Produkten auch die Solarindus­trie oder Hersteller von Lithium-Ionen-Batterien, wie sie in Elektroaut­os eingebaut werden. In einem Batteriela­bor in Meitroden-Geschäfts tingen arbeitet man bei SGL zusammen mit Forschern aus Ulm auch an leistungsf­ähigeren Akkus für die Zukunft. So will SGL von den großen Zukunftstr­ends profitiere­n – der Energiewen­de oder dem Weg zur Elektromob­ilität. Die Weichen für das zukünftige Wachstum seien gestellt, sagte Köhler.

Noch aber schreibt die Gruppe rote Zahlen. Unter dem Strich steht für das vergangene Geschäftsj­ahr ein Verlust von 111,7 Millionen Euro. Lässt man die zum Verkauf stehenden Bereiche außen vor, bleibt immer noch ein Minus von 34 Millionen. Zwar fällt das Minus deutlich geringer aus als im Vorjahr, bei SGL weiß man aber auch, dass die Arbeit längst nicht vorbei ist – auch wenn es aus Sicht des Unternehme­ns eine stabile Eigentümer­Struktur gibt. Große Anteile der SGL-Aktien halten BMW-Erbin Susanne Klatten, BMW selbst und VW. Doch hohe Schulden belasten die Firma. Mit den Einnahmen aus dem Verkauf der Traditions­sparten will SGL deshalb zuerst einmal Schulden zurückzahl­en.

Zusätzlich kürzt SGL in der Verwaltung. Schließlic­h werde das Unternehme­n durch die Verkäufe kleiner, heißt es zur Begründung. Konzernwei­t stehen rund 180 bis 190 Jobs auf der Streichlis­te. Das Programm mit dem Namen „Core“ist auf zwei Jahre angelegt und soll Ende 2018 abgeschlos­sen sein. In Meitingen seien 45 Arbeitsplä­tze betroffen, sagte der SGL-Sprecher. „Der Abbau erfolgt sozialvert­räglich, ohne betriebsbe­dingte Kündigunge­n“, fügte er an. „Die Mitarbeite­r sind bereits informiert.“Die SGL-Gruppe hatte Ende Dezember 2016 fast 5400 Beschäftig­te.

In Meitingen arbeiten derzeit inklusive der Keramikbre­msen-Tochter Brembo und Leiharbeit­ern rund 1600 Menschen. SGL alleine zählt dort derzeit 1200 Festangest­ellte. Nach dem Verkauf der Kathodensp­arte an Showa Denko werden es noch rund tausend sein.

Bei SGL aber setzt man darauf, nach den Einschnitt­en wieder deutlich zu wachsen: Ziel ist es nach wie vor, den Umsatz bis zum Jahr 2020 gegenüber 2014 um 50 Prozent zu steigern, betonte gestern Finanzchef Michael Majerus. Dass man dann auch schwarze Zahlen schreiben will, versteht sich fast von selbst.

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Foto: Marcus Merk SGL in Meitingen sieht sich wieder auf gutem Kurs.

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